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Grüne wieder solide und komplett

■ Mitgliederversammlung wählte Vorstand und pocht auf Koalitionsabsprachen

Offenbar ist es bei der grünen Basis nicht sehr attraktiv, im Parteivorstand zu arbeiten. Zwei der drei Kandidaten, die sich auf der Mitgliederversammlung am Donnerstag abend zur Nachwahl präsentierten, fielen glatt durch. Immerhin konnte der dritte Sprecher-Posten, der beim ersten Anlauf vor drei Wochen frei geblieben war, besetzt werden: die 37jährige Mitarbeiterin im Übersee-Museum, Mareike Molkewehrum, war die einzige Kandidatin und wurde ohne Personaldiskussion gewählt. Im Februar waren schon Arendt Hindriksen und Karin Krusche Grünen-Sprecher geworden. (taz 16.2.)

Ein Thema gab es auf der Mitgliederversammlung nicht, debattiert wurden verschiedene Themen, die alle um das Verhältnis der Partei zu ihrer Regierungsverantwortung in der Ampel kreisten. So mißfiel es dem MdBBü Walter Ruffler, daß die grünen Ampel-Politiker Aufsichtsratsposten besetzt haben. Tatsächlich verbietet § 9 der Partei-Satzung solche Aufsichtsratsposten für Abgeordnete der Partei und Vorstandsmitglieder, an Senatoren hatte man vor zwölf Jahren bei der Formulierung der Satzung nicht gedacht. Der Landesvorstand rechtfertigte sein „augenzwinkerndes Einverständnis“: die alte Satzung sei sowieso nicht mehr auf der Höhe der Zeit, Rainer Oellerich verwies auf eindeutige Senatsbeschlüsse, die eine Vergabe der Posten an Senatsamt oder Bürgerschaftsmandat bindet. Helmut Spitzley forderte, sowohl diesen Senatsbeschluß als auch die grüne Satzung so zu verändern, daß einfach „die Besten“ in die Aufsichtsräte entsandt werden könnten. Die bestechende Idee fand Beifall, sie lag aber nicht als Antrag vor — realitätstüchig akzeptierte die Versammlung die geschaffenen Tatsachen und lehnte — 38:31 — die Kritik an dem Satzungsbruch ab.

In Anträgen zur Ausländerfrage sollten die Koalitionsvereinbarungen mit Grünstift unterstrichen und die Ausländerintegration gelobt werden — ohne Debatte wäre der Punkt beinahe durchgegangen, wenn nicht der zum Parteikasper herausgeputzte Günter Kahrs mit Galatasaray-Mütze in schönster Verbalradikalität eingegriffen hätte: „Ihr wollt die, die aus warmen Ländern flüchten müssen, in dieses kalte Deutschland integrieren?“

Keine Rede mehr davon, daß Staatsräte und Pressesprecher von der grünen Mitgliederversammlung gewählt werden müßten — sie stellten sich einfach nur vor. Kultur-Staatsrat Schwandner und auch Pressesprecher Hoplitschek, so erfuhr die Versammlung, waren zeitweise Mitglieder der FDP gewesen. Die drei, auch der Umwelt-Staatsrat Uwe Lahl, verstehen sich in keinster Weise als „grüne Partisanen“ im Regierungsapparat“, wie Olaf Dinne in Gründungszeiten der Bremer Grünen das Rollenverständnis einmal definiert hatte. Lahl, der zu Zeiten Olaf Dinnes (1979) bei der radikaleren „Alternativen Liste Bremen“ war und am Donnerstag abend (1992) die Versammelten einmal mit „meine Damen und Herren“ überraschte, setzte seine Rolle als die des „oberstens Beamten“ sogar ausdrücklich gegen die des grünen Senators ab und wollte es als „politische Hygiene“ verstanden wissen, daß Verwaltungsabläufe unter grünen Staatsräten rechtsstaatlich gestaltet werden. Das war den Grünen insbesondere im Fall „Hemelinger Marsch“ viel zu wenig - „Herumgeeiere“ sah Peter Puppe darin und die Basis aus Hemelingen forderte ein klares „Ja“ oder „Nein“. Manche Mitglieder sprachen von „Koalitionsfrage“. Da platzte dem Senator Ralf Fücks der Kragen: „Ich kann das schwer aushalten“, rief er zu später Stunde in den Saal, die Grünen - d.h. er im Senat — hätten eine „richtige Kraftprobe“ zwischen Umwelt- und Gewerbepolitik riskiert und gewonnen, kein Grund für „grünen Masochismus“. Ihm gehe es um mehr als die Hemelinger Marsch, ihm gehe es um einen „neuen Kurs in der Gewerbeflächenpolitik“.

Der Rest der grünen Mitgliederversammlung wollte in diesem Konflikt nicht Schwarz-Weiß malen und beschloß, den grünen Senator zu unterstützen und die mißtrauische Basis aus Hemelingen gleichzeitig auch. K.W.

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