: Konrad Kunick zum „Präsidenten“ gewählt
■ Deutsch-Sowjetische Freundschaftsgesellschaft paßte ihren Namen der Wende in den Staaten des Ostens an
Verflossene Beziehungen sind immer schwierig. Um die „Gesellschaft zur Förderung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ ging es am Mittwoch abend im Saal der Bremer Handwerkskammer. Das Problem liegt auf der Hand: Die UdSSR gibt es seit einiger Zeit nicht mehr.
Was tun, wenn der Partner der Beziehung sich verweigert? Die Bremer Freundschaftsgesellschaft möchte, daß sich an ihrer Arbeit möglichst nichts ändert, den Namen mußte man allerdings anpassen. So lag der Mitgliederversammlung eine neue Satzung vor, nach der die UdSSR durch „Lettland und die Staaten der GUS“ ersetzt und der „Vorsitzende“ des Vereins zum „Präsidenten“ ernannt werden sollte.
Einer unter den 28 anwesenden Mitgliedern war das zu wenig. Der Bundesvorsitzende der Freundschaftsgesellschaften habe vor einem Jahr noch vor der Unabhängigkeitsbestrebung im Baltikum gewarnt, erinnerte Hartmute Trepper, Mitarbeiterin des Bremer Osteuropa-Instituts. Hat die Freundschaftsgesellschaft nicht zu sehr die zentralistischen Strukturen unterstützt? Hat es eigentlich ein Engagement der Freundschaftsgesellschaft in der Menschenrechtsfrage gegeben, Solidarität mit den sozialen Bewegungen? Wie soll sich eine Freundschaftsgesellschaft zu den Nachfolgestaaten der zerfallenen UdSSR verhalten, wenn etwa Lettland gegen die Präsenz russischer Truppen protestiert und sich wirtschaftspolitisch erpreßt fühlt?
„Wir sind kein politischer Verein“, rief ihr eine andere Frau aus dem Saal zu. Er halte nichts von „öffentlichem Klamauk“, erklärte der Vorsitzende Konrad Kunick das Schweigen zu Selbständigkeitsbewegung und Menschenrechtsverletzungen. Hinter verschlossenen Türen habe man sehr wohl schon mal Klartext geredet.
Kurz vor der Versammlung war im Vorstand ein ganz anderes Problem aufgefallen: Die GUS könnte noch schneller als die UdSSR von der Landkarte verschwinden, dann würde im Herbst der Name schon wieder nicht stimmen. Man könne doch einfach „Staaten des Ostens“ sagen, schlug der Vorsitzende K. Kunick vor.
Mit diesem Vorschlag war die Verwirrung unter den Vereinsmitgliedern komplett. Wo beginnt denn der Osten und wo endet er? Ob dem Vereinsregister da der Zweck der Freundschaft noch eindeutig genug formuliert ist? Dem einen war das „zu viel“, Konzentration der Freundschaft auf ein Land sei besser. Auf welches aber? Auf Lettland, weil Riga mit Bremen die Partnerschaft hat? Auf Rußland, weil das das größte und wichtigste Land ist? Was wird mit den Ostseehäfen, mit denen mancher Kaufmann aus Bremen Freundschaft pflegen möchte, wandte der ehemalige Häfensenator Kunick ein. Was ist mit Litauen und Estland?
Einfach weil die humanitären Projekte und der kulturelle Austausch weitergeführt werden sollen, wollte die überwiegende Mehrheit der Mitglieder in ihrer Freundschaft zusammenhalten, was im Osten auseinanderfällt. Das Freundschaftsmitglied Claus Grobecker plädierte dafür, die Namensänderung mit den „Ländern des Ostens“ vorläufig zu beschließen und einmal abzuwarten, wie sich die Lage weiter entwickelt.
So einigte man sich schließlich auf die Freundschaft zu „Lettland und den Staaten des Ostens“, wie Kunick vorgeschlagen hatte. Nur in § 2 der veränderten Satzung taucht das alte Kürzel UdSSR noch ganz verschämt auf.
Ohne weitere Diskussion wurde dann in der Satzung das Wort „Vorsitzender“ durch „Präsident“ ersetzt. „Das gehört zur Lebensplanung, Präsident zu werden“, witzelte Grobecker. Mit denselben Worten hatte Wedemeier ihn im Rathaus verabschiedet. Nun stellte sich die Frage der Neuwahl. „Zum Präsidenten kandidiert unser Vorsitzender Konrad Kunick“, erklärte die Geschäftsführerin der Freundschaftsgesellschaft, die langjährige Kunick-Sekretärin Kröhl. „Wenn das der Wedemeier wüßte“, mockierte sich hinten im Saal Grobecker.
Der Kassenwart wurde entlastet, wie sich das in einem Verein gehört, und der alte Vorstand wurde neu gewählt, an seiner Spitze der „Präsident“. K.W.
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