: »Dreiste Geschmacklosigkeit?«
■ Juristischer Streit um Klees »Sumpflegende« in der Ausstellung »Entartete Kunst«
Für einigen Wirbel sorgte am Donnerstag ein überraschender Eigentümerstreit um ein Bild in der am Vortag eröffneten Ausstellung Entartete Kunst im Alten Museum in Berlin. Paul Klees Gemälde Sumpflegende aus dem Jahr 1919 kann nun trotz eines Rechtsstreits bis zum Abschluß der Ausstellung gezeigt werden. Die Zivilkammer beim Berliner Landgericht hatte am Donnerstag verfügt, daß das Bild vom Deutschen Historischen Museum, als Veranstalter der Schau derzeitiger Besitzer, »wegen Dringlichkeit« an einen zuständigen »Gerichtsvollzieher als Sequester herauszugeben« ist.
Das Erscheinen des Kölner Rechtsanwalts Peters, der den Eigentümer, Jen Lissitzky, Sohn des Malers El Lissitzky, vertritt, sowie eines Gerichtsvollziehers und einer bereits wartenden Speditionsfirma hatten im Museum einige Aufregung und wortreiche Auseinandersetzungen ausgelöst. Schließlich verständigten sich beide Seiten auf einen Kompromiß: Wenn die Ausstellung am 31. Mai schließt, wird Klees Bild an den Gerichtsvollzieher übergeben.
Als »dreiste Geschmacklosigkeit« bezeichnete Christoph Stölzl, Direktor des Deutschen Historischen Museums, die Tatsache, ausgerechnet aus einer Ausstellung ein Gemälde entfernen zu wollen, die der Beschlagnahmung und Vernichtung von Kunstwerken in der NS-Zeit gewidmet sei. Für seine Weigerung führte er auch konservatorische Gesichtspunkte ins Feld. Die »erstaunliche Eilfertigkeit« würde die höchst »fragile Arbeit« Klees außerordentlich gefährden. Außerdem laufe die Stadt München, der das Bild gehört, schließlich nicht weg.
Lissitzky jun. kam als jüdischer Aussiedler 1989 über Israel nach Deutschland. Die »Rechtslage ist eindeutig«, sagte Clemens Toussaint als sein Vertreter am Donnerstag zur 'dpa‘. Sumpflegende gehörte neben anderen Werken zu einer Leihgabe von Frau Lissitzky- Küppers an das Landesmuseum Hannover. Nach der Beschlagnahme der Moderne durch die Nationalsozialisten und deren Verbannung aus deutschen Museen waren viele Werke auch ins Ausland gelangt. Die Städtische Galerie im Lenbachhaus in München — jetziger Leihgeber — habe es 1982 erworben. Toussaint verlangt die Rückgabe des Klee-Gemäldes an den rechtmäßigen Besitzer, auch wenn »wir bis Karlsruhe gehen« müssen. Jen Lissitzky war mit seiner Mutter in der Stalin-Zeit in ein Zwangslager nach Sibirien deportiert worden. dpa/taz
Siehe Besprechung zu Entartete Kunst auf den Seiten 14/15.
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