Spritzen werden knastfähig

■ Gesundheitssenator Luther (CDU) will über Spritzenaustauschprogramm im Knast »nachdenken«/ Etwa 200 Gefangene in Berlin sind drogenabhängig

Berlin. Die Forderung der Fraktion Bündnis 90/ Grüne, in den Berliner Gefängnissen Spritzen an drogenabhängige Gefangene auszugeben (die taz berichtete), stößt bei Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) als »nachdenkenswerte Idee« auf offene Ohren. Das bestätigte gestern Luthers Büroleiter Wolfgang Erichson gegenüber der taz. Als Gesundheitspolitiker vertrete Luther den Standpunkt, die Sucht der Abhängigen, die mit Drogenfreiheit nicht zu locken seien, zu akzeptieren und den Erhalt von sterilen Spritzen zu ermöglichen. Es gebe keinen Anhaltspunkt, daß mit der Ausgabe von Spritzen der Drogenkonsum ansteige.

Etwa 200 Gefangene in Berliner Gefängnissen sind abhängig von illegalen Drogen. Bis zu der Hälfte von ihnen sei vermutlich HIV-infiziert, schätzt Albert Eckert (Bündnis 90/ Grüne). Jede in den Knast geschmuggelte Spritze werde von bis zu zwanzig Gefangenen hintereinander benutzt, so Eckert. Auch eine Studie der Universität Bremen belegt, daß das Infektionsrisiko für Drogenabhängige im Gefängnis am größten sei. Im Sinne der Aids-Prophylaxe werde es eine Diskussion über Spritzbestecke im Knast geben, sagte Erichson gestern. Man werde erwägen, gemeinsam mit dem Träger »Fixpunkt e.V.«, der für die Spritzenautomaten in der Innenstadt zuständig ist, ein Projekt im Knast zu entwickeln.

Als richtigen Schritt werteten gestern auch die Fixpunkt-Mitarbeiter Luthers Äußerungen. Bisher sei ein derartiges Projekt immer auch am Betäubungsmittelgesetz gescheitert. Ein Antrag auf dessen Änderung liegt dem Bundesrat allerdings bereits vor. Für eine Spritzenvergabe im Knast gibt es verschiedene Modelle.

Ein Spritzentauschautomat ist bei Fixpunkt ebenso im Gespräch wie die Ausgabe von sterilen Spritzen durch Sozialarbeiter. Jeder Insasse würde vermutlich eine sterile Spritze erhalten, die er jeweils nach Benutzung umtauschen könne, sagte Astrid Leicht vom Fixpunkt zur taz. Auch die psychosoziale Betreung der Süchtigen müsse trotz Automaten gewährleistet sein. jgo