: Joint in den Venen
■ Brennpunkt, ARD, Mittwoch 20.15 Uhr
Wir sind im Krieg. Pearl Harbour war nichts gegen das Lübecker Hasch-Urteil, das den „mühsam erreichten Konsens zur Ächtung der Drogen“ (Seiters) kalt versenkte. Nachdem verstörte Splitter durch die Medien geflogen waren, warteten wir gespannt. Endlich: Am Mittwoch meldete das 'Hamburger Abendblatt‘: „Front gegen die Freigabe von Drogen formiert sich.“ Unser Schwarzkopf dürfte Burkhard von Walsleben von der GdP sein, denn er gab die Parole aus: „Wir dürfen nicht wieder anfangen, zwischen einzelnen Drogen zu unterscheiden — das wäre kontraproduktiv.“ Klar. Zu den Anfängen der Ausbildung beim Bund gehört T&T, Tarnen und Täuschen. Entsprechend produktiv schoß dann am Abend der NDR via ARD eine Breitseite ab, als Brennpunkt und getarnt als „Fällt das Hasch-Verbot? Drogenpolitik in der Sackgasse.“
Eine perfekte Täuschung. Von den 33 Minuten ging's knappe 4 um Cannabis, und sonst wie gewohnt um Junkies und: Es wäre doch schrecklich, wenn nun Heroin freigegeben würde. Nun gut, man soll von Ochsen nicht mehr erwarten als ein Stück Rindfleisch, und doch ärgert's mich, weil ich die Recherchen mitbekommen habe, als Telefonseelsorge der Redakteurinnen. Da bat mich Frau Wilczek um Kiffer-Adressen in der Schweiz. Weil aber Kiffer nun optisch nichts mehr hermachen, verguckte sie sich mit der Kamera in einen Herzeige-Junkie, und um dessen Probleme ging's ausschließlich. Da bat mich Frau Fiederike Krumme um Adressen von Experten zum Aspekt „Einstiegsdroge“. Bedaure, ich kenne keinen Seriösen für sowas, nur ein paar Fachleute. Einige von denen sah ich, von der Kamera drakulesk verfremdet, und dann kam das Krumme-Wunder: „So sehen das vielleicht Akademiker. Doch die Praxis sieht anders aus.“ Es folgte ein „Sozialarbeiter“ aus höchst dubiosem Umfeld. Der lieferte das Bestellte, denn, so die Dame: „Wir haben in der Redaktion entschieden, daß Hasch eine Einstiegsdroge ist.“
Diesem Beispiel journalistischer Verkommenheit mußte natürlich eine wissenschaftliche Nuttigkeit folgen. Arthur Kreuzer, einst eigentlich angesehen, mußte die abgestandensten Argumente für Kriminalisierung ausbuddeln, weil — so das Geständnis off records — „das BKA derzeit große Mittel für Studien bereitstellt“. Kein Wunder, daß sich der Moderator (Wagner hieß er, läuft „auf SPD-Ticket“, weiß aber noch nicht, wie sich die Partei entscheiden wird) zu Recht darüber empören müßte, daß die „Stadt Zürich Haschisch-Süchtigen kostenlos Spritzen angeboten hat“. Gönnen wir ihm einen Joint in die Venen. Immerhin wissen wir, wie's weitergeht. Danken wir Gott, daß Hitler noch kein TV hatte. Goebbels und die ARD... die Geschichte wäre wohl anders verlaufen. Hans-Georg Behr
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