piwik no script img

Schützt Golf Natur ?

■ Golfplätze liegen voll im Trend der Zeit. Als Qualifizierungsangebot werden sie im Tourismus vermarktet mit dem Aushängeschild ökologisch-wertvoll. Ein Gespräch mit dem Umwelt-Gutachter Dr. Hans-Joachim Schemel

Golfplätze liegen voll im Trend der Zeit.

Als Qualifizierungsangebot werden sie im Tourismus vermarktet mit dem Aushängeschild ökologisch-wertvoll. Ein Gespräch mit dem Umweltgutachter Dr. Hans-Joachim Schemel.

taz: Wir erleben in den letzten Jahren einen wahren Boom neuer Golfplätze, beispielsweise rund um Berlin, München und in Rügen. Wie ist das zu erklären?

Hans-Joachim Schemel: Viele Fremdenverkehrsgemeinden erwarten sich durch einen neuen Golfplatz nicht nur eine Ergänzung, sondern auch eine Qualifizierung ihres touristischen Angebots und sind daher froh, wenn ein Investor den Antrag stellt, einen Golfplatz errichten zu dürfen. Der Investor wiederum sieht die Chance, die wachsende Nachfrage von zahlungskräftigen Golfsportlern befriedigen zu können, denn dieser Sport liegt irgendwie im Trend unserer Zeit.

Was meinen Sie mit diesem Trend?

Wir erleben einerseits eine erschreckende Zunahme der Armut, andererseits die Herausbildung einer größer werdenden Schicht Wohlhabender, die — um es salopp auszudrücken — kaum wissen, wohin mit ihrem Geld. Diese „finanziell Sorglosen“ legen gesteigerten Wert auf zweierlei: erstens auf eine angenehme, nicht zu anstrengende Freizeitbeschäftigung („Wellness“) in der freien Landschaft, bei der man so nebenbei auch noch wichtige Kontakte pflegen kann, zweitens auf Exklusivität, d.h. man möchte unter seinesgleichen sein. Golfsport gerät zum Statussymbol. Mehr als noch vor zehn bis zwanzig Jahren wollen heute selbst jüngere Leute (Young Urban Professionals mit dicker Brieftasche) ihren finanziellen Erfolg gern nach außen präsentieren in der sonderbaren Annahme, der Wert der Persönlichkeit steige mit der Höhe des Einkommens. Dieses Phänomen ist jedoch nicht golfspezifisch, sondern läßt sich überall beobachten.

Worin liegt die Problematik des Golfsports?

Hier darf nicht verallgemeinert werden nach dem Motto: Golfplätze sind immer ein Problem. Denn sie können unter bestimmten Umständen sogar zur positiven Entwicklung der Landschaft beitragen. Dies ist dann der Fall, wenn sie der Allgemeinheit keine Erholungslandschaft entziehen und wenn durch die Anlage des Golfplatzes eine ästhetische und ökologische Aufwertung gelingt.

Haben diejenigen recht, die behaupten, Golf sei Naturschutz?

Nein. Unter Naturschutz verstehen wir etwas anderes. Hier kann allenfalls von „ökologischer Aufwertung“ gesprochen werden. Diese ist keineswegs leicht zu erreichen und zur Zeit (im Hinblick auf bestehende Plätze) eher die Ausnahme. Es kommt dabei auf dreierlei an: auf die Standortwahl (möglichst auf ehemaligen Ackerflächen, auf jeden Fall Meidung naturnaher Flächen), auf die Platzgestaltung (möglichst großer Platz bei möglichst hohem Anteil von Rauheflächen) und auf die Platzpflege (Einschränkung des Dünger- und Pestizideinsatzes sowie der Schnitthäufigkeit).

Die Anlage von Golfplätzen kann die Landschaft ökologisch erheblich belasten. Stoffliche Einträge in Form ausgewaschener Dünger und Pestizide (die auf den kleinflächigen Greens intensiv aufgebracht werden) können vor allem dann zum Problem werden, wenn sie ökologisch empfindliche Flächen belasten, zum Beispiel Feuchtgebiete und Magerrasen, oder wenn sie ins Grundwasser gelangen. Die großflächigen Spielbahnen (Fairways) bestehen aus einem naturfernen Vielschnittrasen. Wenn ihnen naturnahe Bereiche (etwa Brachflächen) weichen müssen, ist dies ein ökologischer Verlust. Auch hochwertige Landschaftsbilder können durch den eher künstlich-parkartigen Charakter eines Golfplatzes beeinträchtigt werden. Andererseits gibt es auf einem Golfplatz auch die „Roughs“ (Rauheflächen), die nicht oder kaum vom Spiel berührt werden und wo sich mehr oder weniger ungestört Tiere und Pflanzen entwickeln können, die auf einer intensiven Agrarfläche keine Chance haben. Der ökologische Wert dieser Roughs hängt von ihrer Ungestörtheit, Größe und Verbundfunktion ab. Ob die Anlage eines geplanten Golfplatzes die Landschaft insgesamt auf- oder abwerten wird und ob eventuell Qualitäten verlorengehen, die ökologisch nicht kompensierbar sind, kann durch eine Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) festgestellt werden.

Halten Sie es für möglich und wünschenswert, daß Golf vom Exklusivsport zum Volkssport wird, ähnlich wie es beim Tennis geschehen ist?

Die Frage ist zunächst, ob die jetzigen Golfer bzw. Golfclubs das überhaupt wollen. Aber selbst dann würde die Entwicklung des Golfs zum Volkssport voraussetzen, daß die bisher verlangten Zahlungen für die Benutzung des Platzes und die Aufnahme- und Mitgliedsbeiträge drastisch gesenkt werden. Das wiederum würde bedeuten, daß sich ein Platz nur dann rentiert, wenn sich der „Spielerdurchsatz“ erhöht und die Kosten gesenkt werden. Möglich ist das schon, vor allem auch dann, wenn dieser Sport (ähnlich wie andere Sportarten) öffentlich gefördert würde. Die an Exklusivität interessierten Golfclubs würden sich dann wahrscheinlich auf teuren Plätzen „abschirmen“.

Aus ökologischer Sicht ist es bei umweltverträglicher Standortwahl wichtig, daß der Platz möglichst groß ist, damit die Rauheflächen (bei gleichbleibender Fläche der Spielbahnen, Abschläge und Grüns) eine ökologisch interessante Ausdehnung erreichen können. Wenn also bei der Platzgröße Kosten gespart werden („Kompaktplätze“), dann schwinden die Chancen für eine ökologisch akzeptable Platzgestaltung.

Ist die „Goldgräberstimmung“ in den neuen Bundesländern, wo Gemeinden mit neuen Golfplätzen den großen Einstieg ins touristische Geschäft versuchen, berechtigt?

Im Moment übersteigt die Nachfrage noch das Angebot, sogar bei den heute üblichen Preisen. Jedoch kann sich das ändern, wenn die sehr vielen zur Zeit in Planung befindlichen Golfplätze realisiert sind. Dann müssen die Plätze untereinander um Spieler konkurrieren, wobei Faktoren wie die Lage zu Nachfragezentren (Ballungsräume, Fremdenverkehrsgebiete) ausschlaggebend sein dürften. Allerdings ist gerade hier der Konflikt mit Flächenansprüchen der Naherholung (rund um größere Städte) bzw. mit dem Tourismus (im Hinblick auf Nichtgolfer) vorprogrammiert, wenn erlebnisreiche Landschaften beansprucht werden.

Die Hoffnungen mancher Gemeinden auf das „schnelle große Geld durch Golf“ sind in den meisten Fällen wohl übertrieben. Denn zum Erfolg eines Fremdenverkehrsortes gehört ein breites Angebotsspektrum (Beherbergung, Gastronomie, Freizeitinfrastruktur, Programme), gehört eine hohe landschaftliche Qualität und nicht zuletzt touristisches Know-how, also eine solide Basis und nicht nur ein Spezialangebot für eine sehr kleine Gästegruppe.

Ein Golfplatz als „Monoangebot“ in einer touristisch nicht oder nur wenig entwickelten Gemeinde birgt die Gefahr in sich, daß er lediglich zu stärkerem Verkehrsaufkommen und kaum zu touristischen Einnahmen in der Gemeinde führt. Denn die aus der Stadt ein- und auspendelnden Clubmitglieder werden den Tourismus im Ort nicht beflügeln, sondern durch die angedeuteten Belastungen eher hemmen.

Aber auch für einen entwickelten Fremdenverkehrsort ist ein Golfplatz nicht zwangsläufig von Vorteil. Wo ein Golfplatz in eine beliebte Erholungslandschaft gesetzt werden soll, kann dies die Attraktivität eines Fremdenverkehrsortes herabsetzen. Denn Nichtgolfer fühlen sich als Gäste durch eine Anlage abgeschreckt, wenn ihnen damit eine schöne Landschaft vorenthalten oder in ihrem Erlebniswert geschmälert wird.

Ist ein Golfplatz als Qualifizierungsangebot im Tourismus zu sehen, besonders auch im Hinblick auf die Dritte Welt?

Wenn man unter Qualifizierung versteht, daß der Ort für Reiche attraktiver wird, dann kann die Frage bejaht werden. Allerdings ist diese Nachfragegruppe auch sehr anspruchsvoll im Hinblick auf sonstige Infrastrukturangebote, was nicht jeder Ort zu bieten hat. In den anderen Ländern der Dritten Welt können die Luxusansprüche der Wohlhabenden nur in einer Ghettosituation erfüllt werden. Längst nicht jeder Gast empfindet das als Qualität.

Das Gespräch führte Edith Kresta

Literatur zum Thema:

Bayerisches Landesamt für Umweltschutz und Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege: Naturschutz und Golfsport. Merkblätter zur Landschaftspflege und zum Naturschutz 2, München 1989;

Bundesinstitut für Sportwissenschaft: Planung, Bau und Unterhaltung von Golfplätzen. Schriftenreihe Sport und Freizeitanlagen, Planungsgrundlagen P 1, Köln 1987;

Ministerium für Umwelt Baden- Württemberg (Hrsg.): Leitfaden zur landschaftsbezogenen Beurteilung und Planung von Golfanlagen. LFU, Karlsruhe 1989;

Schemel, H.-J.: Umweltverträgliche Freizeitanlagen — Eine Anleitung zur Prüfung von Projekten des Ski-, Wasser- und Golfsports aus der Sicht der Umwelt. Bd.1 (Analyse und Bewertung). Berichte des Umweltbundesamtes 5, Berlin 1987;

Schemel/Erbguth/Reichholf:

Handbuch Sport und Umwelt. Herausgeber: UBA, DSB, DNR, Aachen 1992.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen