: Hasch läßt Bonner Köpfe rauchen
Aktuelle Stunde im Bundestag: Außer dem Bündnis 90 lehnen alle Parteien Freigabe „weicher Drogen“ ab/ CDU bietet christlichen Lebenssinn als Ersatzdroge an/ SPD und FDP für vage „Entillegalisierung“ ■ Aus Bonn Tissy Bruns
Erwin Marschewski, CDU-Bundestagsabgeordneter, kennt die Drogenproblematik und weiß, daß Suchtkarrieren mit Mangel an Lebenssinn zu tun haben können. Gleichwohl hält er Korrekturen der Drogenpolitik für überflüssig, denn „meine christliche Partei hat eine solche Sinngebung anzubieten“.
Aufgeschreckt durch den Lübecker Richterspruch der vergangenen Woche hatte die Union eine aktuelle Stunde beantragt, um klarzustellen, daß die Christdemokraten den bloßen Gedanken an eine Freigabe weicher Drogen für völlig unzulässig halten. Neben Erwin Marschewski, der eine mögliche Illegalisierung gar im Widerspruch zur Wertordnung des Grundgesetzes sieht, wiederholten Fraktionskollege Roland Sauer und Innenminister Rudolf Seiters altbekannte Stereotypen: weiche Drogen sind der Einstieg, eine Legalisierung eine Kapitulation des Staates und mache die gesamte Prävention unglaubhaft. Vielmehr nötig: eine verstärkte polizeiliche und strafrechtliche Aktivität. „Ich möchte, daß wir das Gesetz zur organisierten Rauschgiftkriminalität zügig verabschieden.“ (Seiters) Daß Suchtprävention immens wichtig ist, weiß auch die Union, weshalb sie aber so unwirksam bleibt, darüber will die CDU nicht nachdenken.
Gegen diese Riege holzschnittartig argumentierender Männer kämpften die Frauen der anderen Fraktionen. Zu einem ausdrücklichen Ja zur „Entillegalisierung“ mochte sich aber nur Christina Schenk vom Bündnis 90/Grüne durchringen. Es scheine, so Schenk, die kognitiven Fähigkeiten der CDU zu übersteigen, daß ein Votum für die Entillegalisierung keine Aufforderung zum Drogenkonsum sei. Sie verwies auf die besseren Möglichkeiten szenenaher Sozialarbeit, wenn die Strafandrohungen entfallen.
Gudrun Scheich-Walch (SPD) fand den „Fünf-Minuten-Schlagabtausch“ bei diesem Problem „überhaupt nicht dienlich“. Ihre nicht sehr deutliche Forderung: „Wir wollen eine Entkriminalisierung. Das Strafrecht hat gar nichts gebracht.“ Die Bundesregierung sehe dem Drogenelend zu und wolle nicht differenzieren. Für die FDP lehnte Margret Funke-Schmitt-Rink eine Legalisierung „weicher Drogen“ ausdrücklich ab, votierte aber für eine vorsichtige Entkriminalisierung der Betroffenen. Sie wandte sich gegen „den Mythos, daß jede Drogenkarriere bei den weichen Drogen beginnt“. Auch Alkohol und Nikotin seien Einstiegsdrogen.
Gesundheitsministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) stellte am Ende klar, daß sie nicht bereit sei, „an staatlich sanktioniertem Selbstmord auf Raten“ mitzuwirken und schloß damit an das Niveau ihrer Kollegen von der CDU an.
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