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NOTIZEN AUS DER REKLAME-PROVINZ Von Connie Kolb

Tatsächlich: Auch Oldenburger frönen dem Erdinger Weißbierrausch, und Iglu- Baguettes werden zuweilen sogar in hannoverschen Küchen und nicht nur im Bistro von Alfonse serviert. Andernorts müht man sich vergeblich, an diese landesübergreifenden Erfolge anzuknüpfen. Vor allem wenn es darum geht, neben weißblauen Gletscherseen und Sonnenuntergang in der Kieler Bucht mitzuhalten.

Nordrhein-Westfalens Appendix, das Ruhrgebiet, bisher allenfalls aus Smogmeldungen bekannt, mußte aber handeln, denn: Die Briketts waren fast verheizt und die Kumpels schon müde vom ewigen Streiken. Eine imposante Anzeigenkampagne vor etwa zwei Jahren sollte dann Geschäftsleute zu Investitionen und Durchreisen zum längeren Aufenthalt locken. Damit endlich wieder Kohle in den Pott kommt.

Was hat es gebracht, und wer zum Teufel erinnert sich überhaupt noch daran? Zur Auffrischung: Eine Doppelseite mit großem Farbfoto behauptete abschließend zu einem kurzen Text ganz forsch: „Das Ruhrgebiet — Ein starkes Stück Deutschland“. Wie gut, daß die Ortsbeschreibung gleich dabei war! Die Originalmotive brachten nämlich auch nicht gerade Licht ins Dunkel: Postmoderne Betonklötze oder unübersichtliche Fabrikgelände — aus der Vogelperspektive fotografiert — reduzierten den redaktionellen Raum. Mit den Fotos hätten auch Die Grünen gegen die dargestellte Naturverschandelung mobil machen können. Dem mutigen Textmotto hingegen hätte genausogut ein frisch abgehangener Fleischwurstring als Verherrlichung der heimischen Metzgerinnung gepaßt oder ein riesiger Müllberg den Bürgern ein schlechtes Gewissen bereiten können.

Der Ruhrpott machte dem Spaß am Mitmachen ganz plump ein Ende, indem er dem Slogan seinen Stempel aufdrückte wie jedem seiner Briketts. Dabei hätte schon der Austausch eines einzigen Adjektivs Schwung in die Sache gebracht, zum Beispiel „Ein schwarzes Stück Deutschland“, alleinstehend hätte das Leserhirn bis zum nächsten redaktionellen Beitrag bei der Stange gehalten und zum Grübeln angeregt. Hier aber fehlte den Initiatoren der Mut zum Eigenhumor. Zu viele Negativbedeutungen, die sich hinter dem Begriff „schwarz“ verstecken: Tod, Pest und Teufel, Christdemokraten, Neger und Nazis. Von Kohle irgendwie zu weit entfernt. Außerdem sollte der Ruß ja endlich abgeschüttelt werden.

Es blieb dann halt bei der blütenreinen Variante. Auf das Motiv „Kohlegrube bei Nacht“ wurde zwar verzichtet, aber treudoofdeutsch pries man morastige Baggerseen und schattenspendende Fabrikschornsteine als den neuen Sommerhit an. Mit kessen Messehostessen aus Essen und zugiger Luft im Hochsauerlandkreis war das Programm auch ansonsten recht schnell und dürftig abgesteckt. Logisch, daß da noch jeder lecke Nordseekutter mit mehr Ausflüglern auftrumpfen kann. So bitter es klingen mag: kein Hauch von Freiheit und Abenteuer, den der Ruhrpott zu bieten hätte. Weder Gelsenkirchen oder Bottrop warten mit nächtlichen Bergwerkswanderungen auf, noch fungiert eine stillgelegte Fabrikanlage als Horrorszenario am Fließband. Und auf die Idee einer alljährlichen Manta-Rallye über die B1 Duisburg-Dortmund ist bisher auch noch niemand gekommen. Bei der mageren Auslese wäre der Abkauf eines bekannteren Slogans billiger gekommen: Es gibt noch viel zu tun — packen wir's an!

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