Glück wider Wurst

■ Horror in the city: Die Bürgerparktombola tobt wieder

Wir befinden uns im Jahre 35 nach der Tombola. Ganz Bremen ist vom Unglück belagert. Ganz Bremen? Nein! Ein kleines Dorf tief drinnen leistet dem Ansturm erbitterten Widerstand: das ist das Glücksdörfchen. Wie eine Wagenburg trotzt es vom Liebfrauenkirchhof bis zur Sögestraße dem Unglück, das um alle Seiten zingelt: deutsch grollt das Deutsche Haus, stumpf glotzen die Stadtmusikanten, dunkelrostgrün dämmert im Hinterhalt das Rathaus; und bitter bahnt sich das Volk seinen Weg zur Wurst. Ja, eine Art düstere Wald schweigt ringsumher – und ist es da ein Wunder, daß unser ansonsten so glückliches Dörfchen im Wald an zu pfeifen fängt? Was heißt pfeifen – es schreit wie am Spieß! Es wimmert, es wummert, es bettelt, es jault. Und zwar mit Lautsprechern! Und es bettelt: „Damen und Herrschaften, zu Hilfe!“ Und: „Hamse ma 'ne Mark?!“ Nanu. Hamsemane Mark?! Ja ist das Dörfchen denn noch bei Trost? Es hat doch schon alles. Es hat doch dem Glück ein Zuhause gebaut mit rotgestreiften Dächlein drauf und lachenden Sachen din, z.B. Nissan-Micras und Fiat-Pandas, die sich wieder in ihrem bedrohten Lebensraum, der Innenstadt, angesiedelt haben. Und da sollen wir, das Volk, 'ne Mark geben? Wegen dem bißchen Unglück drumrum? Was sollen wir da sagen? Und wann hat denn ein Volk schon mal wirklich geholfen!? Das Volk will leise Wurst. Und paßt da lautes Glück?

Claudia Kohlhase