: Polizei will Zentrale gegen KoKo-Mafia
Polizeidirektor vor dem Schalck-Ausschuß: Die Ermittlungsbehörden sind völlig überlastet ■ Aus Berlin Thomas Scheuer
Schalck-Golodkowskis Erben können sich ins Fäustchen lachen: Bei der Aufarbeitung der Regierungs- und Vereinigungskriminalität ist „die Berliner Landespolizei total überfordert“ — so brachte Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus gestern vor dem Schalck-Untersuchungsausschuß im Berliner Reichstag die Lage auf den Punkt. Statt systematisch die Strukturen alter Seilschaften aufzuarbeiten, könnten nur punktuell Einzelfälle ermittelt werden. Derzeit befassen sich 130 Berliner Polizisten ausschließlich mit Fällen der Regierungs- und Vereinigungskriminalität; unterstützt werden sie bislang von nur 60 Beamten aus den alten Bundesländern, von denen das Land Nordrhein-Westfalen mit 40 den Löwenanteil stellt. Zur Zeit werden ca. 500 bis 600 Verfahren bearbeitet; diese Zahl wird vermutlich auf 1.000 bis 2.000 steigen.
Kittlaus verlangte die Einrichtung einer Zentralstelle zur Bekämpfung der Regierungs- und Vereinigungskriminalität. Da das Bundeskriminalamt in Wiesbaden diese Funktion nach wie vor ablehne, fordert Kittlaus die Einrichtung einer entsprechenden Bund-Länder-Kommission mit Sitz in Berlin. Eine solche Zentralstelle soll auf einer Sondersitzung der Staatssekretäre in der kommenden Woche beraten werden. Bei einer weiteren Verzögerung der Ermittlungen befürchtet Kittlaus „schwere Schäden für das Rechtsbewußtsein der Bevölkerung“. In der derzeitigen „Phase der Geldwäsche“ sei bereits eine Verschmelzung der alten KoKo/Stasi-Seilschaften mit „Intensivtätern“ der organisierten Wirtschaftskriminalität zu beobachten. Der „Aufbau eines neuen Geflechts der Wirtschaftskriminalität“ müsse jetzt zerstört werden. In wenigen Jahren bestünden sonst kaum noch Möglichkeiten der Aufklärung. Kritik, wenn auch in moderatem Ton, richtete der Kriminalist Schmidt an die Gauck-Behörde: Eine Anfrage, welche Mitarbeiter der KoKo-Hausbank Deutsche Handelsbank (DHB) Mitarbeiter oder OibEs des MfS waren, sei bis heute unbeantwortet.
Kriminaloberrat Uwe Schmidt bestätigte, daß bereits 35 Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Ostberliner Rechtsanwalt Vogel wegen des Verdachts der Nötigung oder Erpressung anhängig seien.
Kohl will mehr Einsatz
Bonn (afp) — Kanzler Kohl hat in einem Brief den Regierenden Bürgermeister Berlins sowie die anderen Länderchefs aufgefordert, die Anstrengungen zur Aufklärung der Delikte zur DDR-Regierungskriminalität erheblich zu verstärken. Kohl erneuerte den Vorschlag der Bundesregierung, die Bekämpfung der Regierungskriminalität einer zentralen Stelle zu übertragen.
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