: Der Souverän soll jetzt entscheiden dürfen
■ Mit dem Ende Gomolkas schwindet auch die Hoffnung der Nordlichter auf das Wirtschaftswunder CDU
Sie werden uns fehlen, die drei Ost-CDU-Ministerpräsidenten. Rührend war stets, ihnen zuzuschauen. Wie der ganzen kurzen Regentschaft, besonders aber jenem Ausdruck in ihren Gesichtern, der da hieß: Ein Märchen wurde wahr. Ich bin Ministerpräsident. Jener längst schon vergessene sachsen-anhaltinische Tierarzt und Ministerpräsident Gies, dem nicht seine grenzenlose Inkompetenz, sondern die Intrige gegen Parteifreunde zum Verhängnis wurde. Joseph Duchac in Thüringen, als Don der Gothaer Karnevalsconnection, ansonsten nur staatsmännischer, geheimnisvoller Lächler. Nun scheidet als Dritter der Starmatz, Alfred Gomolka, in Schwerin. Auch er dahin und mit ihm die einst so große Hoffnung auf das Wirtschaftswunder CDU.
Peinlich das gesamte Interregnum Gomolka. Ein von Anfang an völlig überforderter Mann, der wohl nie so ganz begriffen hat, wozu ein Regierungschef eigentlich da ist. So einsam wie unbegreiflich die meisten seiner Entscheidungen; in einem Land, dessen wirtschaftliche Not und Strukturschwäche allerorten in die Augen stechen. Zu allem Elend ist Gomolka auch noch mit sturstem mecklenburgischem Schädel ausgestattet. Am liebsten hätte das dröge Nordlicht mit der zu großen Prinz-Heinrich-Mütze die Fehde gegen seine Werftler per Faushiebe ausgetragen. Der Mann läßt einfach nicht mit sich reden.
Er war natürlich auch von Anfang an doppelt gestraft. Mit dem zwar in der Regel lammfrommen, aber wenn es ihm mal reicht, absolut ungebärdigen vorpommerschen Volk, das nun immer lautstärker die Wahlversprechen einfordert.
Krauses Geniestreich geht nach hinten los
Zum anderen mit einem CDU-Landesvorsitzenden, der ausgerechnet Günther Krause heißt. Des Kanzlers junger Mann hat etwas zu perfekt vor Jahr und Tag die Verlegenheitsvariante Gomolka installiert, um für sich, im Falle eines Bonner Desasters, rasch die Mecklenburger Krone aufsetzen zu können. „Lieber eine Cobra im Bett als Günther zum Freund“, so ein Gomolka-Vertrauter am Samstag abend. Krauses Geniestreich freilich geht nach hinten los. Wenn nicht alles täuscht, hat der smarte CDU-Pianist die SPD in Mecklenburg an die Macht intrigiert.
Unsäglich, das ganze Schauspiel, schon seit Monaten. Die Werftenkrise und kein Ende. Wie die Regierung Gomolka, inklusive des kongenialen Wirtschaftsministers Lehment, FDP — doppelte Nullösung von Anfang an für das Mecklenburger Land. Die immer offener den Königsmord propagierende CDU-Landtagsfraktion. Jener Justizminister Born, der es gar zu arg mit der Illoyalität trieb, der ewig beleidigte CDU-Fraktionsvorsitzende und der schon einmal düpierte vorpommersche CDU-Kronprinz Diederich, der nun wieder zwischen Verzweiflung und Hoffnung schwankt, ob er diesmal richtig aus den Startlöchern kommt.
Der Rücktritt Gomolkas wird erst mal nichts klären. Die Mehrheitsverhältnisse im Schweriner Landtag sind hauchdünn. Nur um eine Stimme liegt die Koalition vor der Opposition. Die bange Frage, nicht nur bei der Mecklenburger CDU: Wie sehr ist Alfred beleidigt? Votiert er bei der Wahl des neuen Ministerpräsidenten gegen oder für jene Hände, die ihn so häßlich abgewatscht haben? Wenn nicht, sind Neuwahlen fällig. Wenn ja, dann auch. Das Scheitern der gegenwärtigen Koalition ist derart augenscheinlich, daß dem Souverän, dem Wahlvolk also, die Möglichkeit eingeräumt werden muß, sich neu zu entscheiden. Henning Pawel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen