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INTERVIEW„Die CDU ist zum verbrauchten Machtkartell geworden“

■ Dieter Spöri, SPD-Spitzenkandidat zur baden-württembergischen Landtagswahl, zu den Chancen der Sozialdemokraten/ „Teufels verklemmte Lustfeindlichkeit paßt nicht zum Lebensgefühl der Baden-Württemberger

taz: Herr Spöri, Sie wollen bei der Landtagswahl am 5. April Ministerpräsident Teufel ablösen. Was können Sie der alleinregierenden CDU abjagen?

Dieter Spöri: Hunderttausende CDU- WählerInnen werden diesmal SPD wählen. Es gibt eine tiefe Grundströmung im Bewußtsein der Menschen, daß Demokratie langfristig nur funktioniert, wenn ein Wechsel eintritt. Machtmonopole führen dazu, daß die Regierenden glauben, sie könnten sich alles leisten. Genau dies ist in Baden-Württemberg unübersehbar — und das spüren die Menschen. Die CDU-Landesregierung hat in den letzten eineinhalb Jahren nicht durch politische Leistungen, sondern lediglich mit Affären und Skandalen auf sich aufmerksam gemacht. Sie zeigen auch, daß die CDU in über 20 Jahren Alleinregierung zu einem verbrauchten Machtkartell geworden ist. Deshalb sehen wir durchaus die Chance, an dieser Union vorbeizuziehen.

Sie sagen, die CDU habe abgewirtschaftet. Reicht das, um den Wählern klarzumachen, die SPD und ihr Spitzenkandidat würden alles anders machen?

Auf die Abgenutztheit der CDU und die Verluderung der politischen Kultur im Land braucht man die Menschen nicht hinzuweisen, das wissen sie selbst. Unser Ziel ist es, auf die Ängste, Fragen und Hoffnungen der BürgerInnen die besseren Antworten zu geben — das gilt für Themen wie einer wirksamen Bekämpfung der krassen Wohnungsnot oder einer frauenfreundlicheren Politik beim Paragraphen 218 sowie bei der Ganztagsbetreuung von Kindern, aber auch für eine ökologische Wende oder die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg. Hier wollen wir neue Impulse setzen.

Nun geht es dem Musterländle doch blendend: die geringste Arbeitslosigkeit, die höchsten Löhne. Armes Baden-Württemberg?

Wir haben zwar ökonomisch eine gute Ausgangsposition. Aus der Wirtschaft kommen aber verstärkt Hinweise, daß neben der konjunkturellen Abkühlung die südwestdeutschen Paradebranchen mit schweren Strukturproblemen kämpfen — das gilt für den Maschinenbau und die Elektrotechnik ebenso wie für die Zuliefer- und Autoindustrie. Die Regierung Teufel hat zur Sicherung der wirtschaftlichen Stärke keine nennenswerte Initiative entfaltet; nach dem Sturz von Lothar Späth ist in der CDU ein wirtschaftspolitisches Vakuum entstanden.

Der SPD wird von der CDU vorgeworfen, daß ihre Spitzenleute lieber in die Toskana reisen, statt sich um das Land zu kümmern, während sie selbst dort zu Hause sei, wo Spätzle gegessen werden.

Daß Herr Teufel manisch gegen alle agitiert, die schon einmal Sekt getrunken haben oder in der Toskana waren, zeigt das kleinkarierte Format, auf das die Teufel-CDU geschrumpft ist. Wenn alle Baden-Württemberger, die schon mal Sekt getrunken haben oder in der Toskana waren, uns jetzt wählen, werden wir mit Sicherheit die stärkste Fraktion. Teufels verklemmte Lustfeindlichkeit unter dem Motto „back to the fifty's“ paßt nicht zum Lebensgefühl der Baden-Württemberger von heute. Er verengt damit das Wählerspektrum der CDU und verliert wieder die modernen Arbeitnehmerschichten, zum Beispiel Techniker, Meister, Ingenieure und Turnschuh-Programmierer, die Späth einmal der SPD abgejagt hatte.

Woher nimmt Ihre Partei die Sicherheit, deutlich besser als vor vier Jahren abzuschneiden, als Sie nur 32 Prozent erreichten?

Zum einen hat Herr Teufel die Chance nach dem Regierungswechsel vor einem Jahr weder personell noch konzeptionell genutzt. Er wird selbst im Lager der treuen CDU-Wählerschaft als herbe Enttäuschung gegenüber Späth eingeschätzt. Der zweite Punkt ist, daß wir einen argumentativen Wahlkampf führen, da wir wissen, daß die Wechselwähler und enttäuschten CDU-Anhänger nur mit differenzierteren und besseren Antworten zu erreichen sind, als sie die landespolitisch stagnierende Regierung Teufel hat.

Muß die Landes-SPD nicht auch befürchten, im April eine Quittung für die profillose Bonner SPD-Politik zu kassieren?

Ich habe nicht festgestellt, daß uns die Auseinandersetzungen der Bundes-SPD um die Steuerpolitik im Wahlkampf schaden. Im Gegenteil: Es wird uns von den meisten Leuten hoch angerechnet, daß die SPD zumindest über zwei Monate hinweg alles unternommen hat, um weitere Belastungen für die Normalverdiener zu verhindern. Die ohne jegliche Skrupel von der Union betriebene endlose Belastungsspirale findet wenig Freunde. Das zeigt übrigens auch das letzte ZDF-Politbarometer, wo die SPD-Werte wieder gestiegen sind. Die Finanzierungskrise schaukelt sich immer mehr auf, weil die CDU-geführte Bundesregierung die ökonomischen Probleme der staatlichen Einheit völlig falsch eingeschätzt hat und den industriellen Zusammenbruch im Osten mangels fehlender Sanierungskonzepte nicht unter Kontrolle bekommt. Interview: Erwin Single

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