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Seite „beschleunigt“ Gomolkas Politik

Berndt Seites Wahl zum Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern am Donnerstag ist so gut wie sicher/ Er will Gomolkas „erfolgreiche Politik“ fortsetzen/ Werftarbeiter unzufrieden  ■ Von Bettina Markmeyer

Schwerin/Bonn (taz) — Berndt Seite beerbt Alfred Gomolka in Mecklenburg-Vorpommern. Relativ schnell einigte sich der CDU- Landesvorstand am Sonntag abend in Warnemünde auf den bisherigen Generalsekretär der Ostsee-CDU. Am Donnerstag soll er im Schweriner Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Gomolka beeilte sich gestern zu versichern, daß Seite auch seine Stimme bekommen werde, da der neue Mann „den besonderen Vorzug hat, daß er von außen kommt“ — also nicht zu denen gehört, die Gomolka gestürzt haben.

Wegen der hauchdünnen Mehrheit der CDU-FDP-Koalition, die nur mit einem fraktionslosen Abgeordneten zustande kommt, zählt bei der Wahl des neuen Ministerpräsidenten jede Stimme. Bereits nach seinem Rücktritt hatte Gomolka klargemacht, daß er sich nicht dafür hergeben werde, ausgerechnet seinen Gegner, Innenminister Georg Diederich, zum Nachfolger zu küren. Damit war Diederich aus dem Rennen.

Als hätte es eine Krise in der mecklenburgischen Regierungskoalition nie gegeben, erklärte Seite noch am Sonntag abend frischheraus, er werde „die von Alfred Gomolka begonnene erfolgreiche Politik fortsetzen und noch beschleunigen“. Zumindest in der Werftenfrage ist er zu ebensolchen Begriffsverwirrungen fähig wie sein Vorgänger und der von Bonn aus in Schwerin mitregierende Bundesverkehrsminister. Seite will sich für eine „Gesamtlösung“ stark machen. Da heute der Verwaltungsrat der Treuhand den Werftenkompromiß endgültig absegnen wird, kann dies nur bedeuten, daß Seite über die Standorte Wismar, Rostock und Warnemünde hinaus darauf drängen will, die beiden kleineren Werften in Stralsund und Boizenburg an der Elbe in die Privatisierungskonzepte einzubeziehen. Dazu will der angehende Landeschef so schnell wie möglich Verhandlungen mit dem Koalitionspartner FDP aufnehmen.

Seites Fraktion befürwortet demgegenüber — wie auch die oppositionelle SPD — weiterhin die „große Verbundlösung“, nach der alle Werften unter Landesbeteiligung an die Bremer Vulkan AG verkauft werden sollen. Und der FDP wären nach wie vor Einzelprivatisierungen am liebsten. Weitere Zerwürfnisse der Koalitionspartner, unkte deshalb die Schweriner SPD, seien damit vorprogrammiert, zumal die FDP an ihrem Wirtschaftsminister Conrad- Michael Lehment festhalten will. Die FDP versicherte indes, sie werde Seites Wahl unterstützen. Die von der SPD geforderten Neuwahlen lehnt die FDP als Zeitverschwendung ab. Zu möglichen Kabinettsumbildungen wollte sich Seite noch nicht äußern. Er ließ auch offen, ob er den geschaßten Justizminister Ulrich Born in die Regierung zurückholen wird. Gestern mittag kam Berndt Seite gemeinsam mit Krause zu einem zweistündigen Antrittsbesuch bei Kanzler Kohl nach Bonn. Über den Inhalt des Gesprächs schwieg man sich anschließend aus.

Auch nach Seites Nominierung will die SPD an dem angekündigten Mißtrauensvotum gegen den neuen Ministerpräsidenten festhalten. Seite, so der SPD-Geschäftsführer Gottfried Timm, sei zwar „der beste Mann“, über den die mecklenburgische CDU derzeit verfüge, aber auch er könne die Regierungskrise nicht lösen. Weder besitze er ausreichende Verwaltungserfahrung, noch könne der Erneuerer die internen CDU- Probleme lösen, die vor allem durch Konflikte mit „politischen Altlasten“ hervorgerufen würden.

Verschiedene Prominente aus Mecklenburg-Vorpommern gründeten gestern in Schwerin unter dem nicht gerade neuen Motto „Wir sind das Volk“ eine Bürgerinitiative, die sich mit Unterschriftensammlungen im ganzen Lande für Neuwahlen einsetzen will. Sprecher der WerftarbeiterInnen kündigten an, ihre Proteste gegen die Werftenpolitik und die mecklenburgische Regierung in den nächsten Tagen zu verschärfen. Für Donnerstag ist eine Großdemonstration in Schwerin geplant. Gomolka, sagte ein IG-Metall-Sprecher in Rostock, sei von seiner Partei nur als „Bauernopfer“ fallengelassen worden, um den Zorn der SchiffsbauerInnen zu besänftigen. Die Krise in Mecklenburg-Vorpommern sei mit dem neuen Mann an der Spitze keineswegs beendet.

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