: Dringend gesucht: Gesundheitsstadträte
■ Sieben von elf Stadträten im Ostteil scheiterten an der Konzeptionslosigkeit in Sachen Polikliniken/ Friedrichshainer Bezirksbürgermeister Mendiburu wirft der Großen Koalition Aussagebruch vor
Berlin. Ost-Berlins abgewählte Gesundheitsstadträte machen mobil. Nachdem in den vergangenen Monaten in sieben von elf Bezirken die Gesundheitsstadträte vor allem wegen ihrer Konzepte für die Fortführung von Polikliniken abgewählt worden waren oder aus freien Stücken wegen der gegen sie erhobenen Vorwürfe zurücktraten, haben sie sich nun zusammengetan, um ihrerseits auf die brisante Lage in den Polikliniken aufmerksam zu machen.
Diese ist nach Angaben der Gesundheitsstadträte a.D. desolat. Eine zentrale Steuerung der Gesundheitsverwaltung stehe nach wie vor aus. Die angekündigte Betreibergesellschaft wird erst im April voll funktionsfähig sein. Bis dahin blieben die Bezirke weitgehend sich selbst überlassen. Von Konzeptionslosigkeit berichten auch Poliklinik-Mitarbeiter aller Bezirke immer wieder.
Die Stadträte fordern nun eine Anschubfinanzierung für Polikliniken, wie diese bei stationären Krankenhäusern durchaus üblich sei. Außerdem benötigten sie ebenso wie die Krankenhäuser eine Rahmenplanung. »Auch angestellte Ärzte müssen planen, investieren und modernisieren können«, sagte Olaf Mai (SPD), Ex-Stadtrat in Prenzlauer Berg. Mai war erst vor wenigen Wochen wegen seines mangelnden Durchsetzungsvermögens gegenüber dem Beauftragten der Gesundheitsverwaltung zum Erhalt der Polikliniken, Lullies, abgesetzt worden.
Der Friedrichshainer Bezirksbürgermeister Helios Mendiburu (SPD) forderte gestern wiederum Dieter Lullies Rücktritt. Er wirft der Großen Koalition vor, ihr Versprechen, die Polikliniken zu erhalten, nicht eingehalten zu haben. »In Person des Gesandten Lullies reist ein Beauftragter mit Holzfällermanier umher und verfolgt lediglich das Konzept, Polikliniken zu zerstören.« Lullies hatte der Ärzteschaft in mehreren Polikliniken, die in staatliche Trägerschaft übergehen sollen, nahegelegt, sich niederzulassen, weil »1995 hier sowieso dichtgemacht wird«.
Von den ehemals 112 Polikliniken im Ostteil sollen 13 unter Senatsträgerschaft erhalten bleiben. Ferner werden einzelne Ärztehäuser in den Bezirken bestehen bleiben. Brunhild Dathe, Gesundheitsstadträtin von Hohenschönhausen und noch im Amt, will eine zentrale Lösung für alle ambulanten Bereiche. Mit der bisherigen Handhabung seitens der Gesundheitsverwaltung seien die Bezirke völlig überfordert. »Es geht doch nicht, daß sieben Stadträte ihr Amt verlieren, weil sie angeblich konzeptionslos sind.« Darüber hinaus komme der dringend nötige Aufbau der Gesundheitsämter bei der ständigen Abwahl von Stadträten zu kurz. Wie Dathe mitteilte, stehe zwei weiteren Stadträten die Abwahl unmittelbar bevor. Damit wäre der Kelch lediglich an Hohenschönhausen und Marzahn vorübergegangen. jgo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen