: Koalitionssturm an der Ostseeküste
■ Heute soll Berndt Seite zum neuen Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern gewählt werden, doch gestern noch stellte ein neuer Hauskrach zwischen CDU und FDP die äußerst knappe Mehrheit in Frage
Schwerin (dpa/taz) — Nur einen Tag vor der heute anstehenden Wahl des neuen Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern hat es wieder heftig im Koalitionsgebälk der Schweriner CDU/FDP-Regierung gekracht. Eine für Mittwoch vormittag angesetzte Koalitionsrunde geriet bereits nach einer Stunde ins Stocken und wurde wegen offensichtlich unüberbrückbarer Gegensätze unterbrochen. Am späten Nachmittag sollte ein neuer Versuch gestartet werden, die Beratungen über die künftige Regierungspolitik unter dem von der CDU nominierten Gomolka-Nachfolger Berndt Seite fortzusetzen. Offen blieb gestern, ob die Wahl Seites durch den neu aufgebrochenen Koalitionskonflikt gefährdet ist. Da die Regierungsparteien im Landtag nur über zwei Stimmen Mehrheit verfügen, kommt es bei der Abstimmung auf jede einzelne Stimme an.
Verantwortlich für den Abbruch der Sitzung waren im wesentlichen Auseinandersetzungen um die Lösung der Werftenkrise, die personelle Besetzung der Ministerposten und die Frage, ob das Schweriner Kabinett vergrößert werden soll. Die CDU möchte den acht Ministerien ein Bau- und Verkehrs- sowie ein Hochschulressort hinzufügen. Dazu erklärte FDP-Wirtschaftsminister Conrad-Michael Lehment noch vor der dann abgebrochenen Sitzung, unter dieser Bedingung werde die FDP Seite nicht mitwählen. Angesichts der kritischen Haushaltslage sei im Augenblick eine Erweiterung des Kabinetts niemandem verständlich zu machen.
Gleichzeitig meldete die CDU- Fraktion gestern noch „Beratungsbedarf“ in der Werftenfrage an, was Lehment wiederum nach der Entscheidung des Treuhand-Verwaltungsrats vom Dienstag schlicht für „überflüssig“ erklärte. Die SPD hat für die heutige Landtagssitzung einen Antrag zugunsten einer großen Verbundlösung für die Privatisierung der ostdeutschen Werftenindustrie angekündigt. Wie es hieß, bevorzugt auch die CDU für den Rest der noch nicht verkauften Ostsee- Werften eine Paketlösung, wobei die Neptun-Werft an die Bremer Vulkan AG gehen soll. Die FDP zieht wie die Treuhand Verkaufsverhandlungen mit der norwegischen Kvaerner- Gruppe vor.
Streitpunkt war offenbar auch die Besetzung der Ministerien. Im neuen Kabinett sollen wahrscheinlich Finanzministerin Bärbel Kleedehn und Kultusminister Oswald Wutzke (beide CDU) ersetzt werden. Der noch von Alfred Gomolka wegen mangelnder Loyalität entlassene Justizminister Ulrich Born (CDU) wird wohl nicht mehr auf die Regierungsbank zurückkehren. Unterdessen wurde gestern bekannt, daß die Schweriner Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Born aufgenommen hat. Ein früherer DDR-Richter soll ihm vorgeworfen haben, mit der Überprüfung der Richter einen Beirat aus „Personen des persönlichen Vertrauens“ beauftragt zu haben, die einseitig ausgewählt worden und nicht kompetent gewesen seien. Im Justizministerium wurde die Anzeige als versuchte „politische Diskreditierung“ gewertet. bg
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