: Schwäbische Elefantenrunde
Wahlkampf im Land der „Häuslebauer“/ Wirtschaftsfragen und Asylrecht erregen die Gemüter der Schwaben/ Ist Baden-Württemberg reif für einen Regierungswechsel? ■ Aus Stuttgart Claus C. Malzahn
Die Honoratioren Baden-Württembergs hatten es nicht weit. Am Mittwoch nachmittag verabschiedete Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) im Innenhof des neuen Stuttgarter Schlosses vor handverlesenem Publikum das VII. Korps der US-Army.
Ein paar Stunden später, nach großem Zapfenstreich, Fackelzug und Dankesreden, versammelte sich ein Teil der Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik noch einmal: diesmal im Foyer der baden-württembergischen Landesbank. Zum ersten und letzten Mal während des Wahlkampfes trafen dort die Spitzenkandidaten der im Parlament vertretenen Parteien aufeinander. Thema der von den 'Stuttgarter Nachrichten‘ ausgerichteten schwäbischen Elefantenrunde: Ist Baden- Württemberg reif für den Regierungswechsel?
Drei Stunden lang debattierten Dieter Spöri (SPD), Erwin Teufel (CDU), Walter Döring (FDP) und Fritz Kuhn (Grüne) über Landespolitik — und die besteht im baden-württembergischen Wahlkampf fast ausschließlich aus Wirtschaftspolitik. „Wer die Gefahr nicht erkennt, daß es hier große Infrastrukturprobleme gibt, der kann dieses Land nicht stark halten“, warf Herausforderer Spöri dem mit absoluter Mehrheit regierenden Ministerpräsidenten vor. Baden-Württemberg hätte seinen wirtschaftlichen Spitzenplatz in Deutschland verloren.
Fritz Kuhn, Spitzenkandidat der Grünen, legte nach: Wenn die Landesregierung nicht politische Rahmenbedingungen für die Förderung umweltverträglicher Produkte schaffe, werde Baden-Württemberg „in einigen Jahren eine Krisenregion wie einst Nordrhein-Westfalen werden“.
Ministerpräsident Teufel, der vor einem Jahr die Nachfolge des über die „Traumschiff-Affäre“ gestolperten Lothar Späth antrat, räumte Probleme der Wirtschaft zwar ein. Infrastrukturverbesserungen wie Straßenausbauten oder Erweiterung des Stuttgarter Flughafens würden aber von der Opposition verhindert. Außerdem hätte der Mittelstand die letzte Tarifrunde noch nicht verkraftet, das schaffe Solvenzprobleme. Fast zwei Stunden lang debattierten die Landespolitiker auf rethorisch mäßigem Niveau über Wirtschaftsfragen.
Andere Themen, wie Kulturpolitik, spielten keine Rolle. Emotionaler wurde die Diskussion erst, als es um das Asylrecht ging. Der FDP- Fraktionschef Döring erntete begeisterte Zurufe aus dem Publikum, als er erneut bekannte, für eine Änderung des Grundgesetz-Artikels 16 zu sein — im Rahmen einer gesamteuropäischen Lösung. Teufel erneuerte seine Forderung nach seiner GG-Änderung, Dieter Spöri hielt kaum etwas dagegen. Fritz Kuhn plädierte „wie Heiner Geißler und der Bundespräsident Weizsäcker“ für ein Einwanderungsgesetz und warf Teufel „sozialpolitische Versäumnisse“ vor. Wenn die Stimmung in der Bevölkerung rassistischer werde, habe das damit zu tun, daß die CDU-Landesregierung „bestimmte Hausaufgaben“ nicht gemacht habe. Es würde sich nun bitter rächen, das Lothar Späth vor einigen Jahren den sozialen Wohnungsbau auf Null gebracht habe.
In Baden-Württemberg stellen sich am 5. April gleich drei rechtsradikale Parteien zur Wahl. „Es wäre eine Schande für unser Land, wenn die im Parlament sitzen würden“, erklärte Teufel. Da die CDU „ohne Netz und doppelten Boden für eine eigenständige Mehrheit“ (Zitat Teufel) kämpft, wäre der Stimmenzuwachs für die Rechtsextremen nicht so eine Schande, sondern vor allem ein großes Problem für die Christdemokraten.
Was passiert, wenn die CDU ihre absolute Mehrheit verliert? „Eine Ampelkoalition wird es mit uns nicht geben“, behauptete der Liberale Walter Döring. „Ich traue ihnen nicht“, konterte Teufel. „Wir wollen stärkste Partei werden“, erklärte Dieter Spöri. „Der Wähler entscheidet am Wahltag“, analysierte der Moderator messerscharf.
Einer hatte sich schon entschieden: „Ein Asylant kostet uns 1.500 DM im Monat! Wenn wir drei rausschmeißen, können wir einen Polizisten bezahlen“, warf ein Schwabe in die Diskussion. Der Mann meinte das ernst und erhielt frenetischen Beifall.
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