GUS-Gipfel verspricht gezügelten Streit

Lösungen für die Konflikte um Schwarzmeer-Flotte und wirtschaftliche Koordination sind kaum zu erwarten  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Am Vortag des zweiten Gipfeltreffens der GUS-Mitgliedsstaaten in Kiew gab die 'Komsomolskaja Prawda‘ schon einen zufriedenstellenden Abschlußbericht: Positiv sei zu vermerken, daß auch weiterhin zwischen Taschkent, Kiew und Moskau die Minute genau sechzig Sekunden zähle, man die Entfernungsmessung nicht auf Meilen umstelle und auch ein Kilogramm ein Kilogramm bliebe. Der bissige Kommentar legt nahe, was die meisten Beobachter befürchten. Auch dieses Treffen mit einer ellenlangen Tagesordnung wird zu keinem Durchbruch in strittigen Fragen führen. Hauptkontrahenten sind wie beim letzten Mal die beiden größten Staaten der Gemeinschaft, Rußland und die Ukraine. Kiew hat bereits verlauten lassen, dies werde der letzte Gipfel sein, an dem es teilnehme.

Der Drohung folgte ein Transferstopp der Nuklearwaffen aus der Ukraine nach Rußland. Inzwischen hat Kiew jedoch die Entscheidung widerrufen. Vermutlich läßt sich dies auf massive Intervention des Westens zurückführen, und auch die Austrittsabsicht scheint erst einmal vom Tisch. Für den Gipfel kündigte die ukrainische Unabhängigkeitsbewegung „Ruch“ eine Blockade des Verhandlungsgebäudes an. Sie verfolgt eine weitere Loslösung von Rußland und favorisiert die Stärkung eines Schwarzmeer-Ostseebundes zwischen den Baltischen Staaten, Moldawien, Kaukasien und der Ukraine. Für Präsident Krawtschuk, der im Vergleich zu den Nationalisten mittlerweile schon einen gemäßigten Kurs fährt, wird der Gipfel erneut zu einem Drahtseilakt zwischen unbeugsamer Rhetorik und mikroskopischer Bereitschaft zum Einschwenken. Krawtschuk erwartet heute eine endgültige Beilegung des Konfliktes um die Schwarzmeerflotte. Man sei gewillt, mit dreißig oder vierzig der größeren Schlachtschiffe vorliebzunehmen. Zur Agenda gehören ebenfalls Abkommen über die Einrichtung einer Art GUS-Gerichtshof und weiterer Leitungsorgane. Zusätzlich hofft man eine Resolution über den Oberbefehl der GUS-Streitkräfte verabschieden zu können und Vereinbarungen über die gemeinsame Kontrolle der Gemeinschaftsgrenzen. Hochgesteckte Ziele, die sich voraussichtlich nicht erfüllen werden.

Pessimistisch äußerte sich auch der Stabschef der GUS, Viktor Samsonow: „Ich habe wenig Anlaß, irgend etwas von dem Kiewer Gipfel zu erwarten.“ Am Vorabend der Frühjahrseinberufung sind erst 50 Prozent der erforderlichen Truppen beisammen. Und keiner schere sich darum, beklagte sich der Stabschef. Man könne sich derzeit nicht einmal selbst verteidigen. Die Mehrheit der offenen Punkte betrifft militärische Fragen und die Verteilung des ehemals sowjetischen Eigentums. In wirtschaftlichen Angelegenheiten sollen die Vorbereitungsgruppen allerdings einen Schritt weiter gekommen sein.