: Nichts für Dicke
■ Der Berliner Modemacher Alexander von Hof liebt figurbetonte Kleidung. Seine Ideen schöpft er aus alten Filmen, Büchern und auch vom Penner auf der Straße. Streifen und leuchtende Farben machen das Outfit der "nonkult"-..
Der Berliner Modemacher ALEXANDER VON HOF liebt figurbetonte Kleidung. Seine Ideen schöpft er aus alten Filmen, Büchern und auch vom Penner auf der Straße. Streifen und leuchtende Farben machen das Outfit der „noncult“-Klamotten aus.
taz: Rennen Sie zu Hause auch so gestylt rum?
Alexander von Hof: Ich habe keine Privatklamotten.
Keine Jeans?
Sportsware und Basicware lehne ich ab, weil jede Metropole einen City- und einen Basiclook hat. In Berlin fehlt der Citylook. Citylook heißt für mich, daß man als Mann beispielsweise einen witzigen, ausgefallenen Anzug, Hemd und Krawatte trägt.
Wie kann der Citylook in Berlin populär werden?
In Berlin ist gar nichts zu machen — das macht die Stadt schon selbst. Beispielsweise kommt man in bestimmten Nachtlokalen nur noch mit einer entsprechenden Garderobe rein, also im Abendanzug oder -kleid. Damit entsteht wieder ein Cityschick.
Gibt es einen Unterschied zwischen Berlin und München oder Berlin und Hamburg?
Berlin ist etwas grauer, aber individueller. Die Stadt ist sehr beeinflußt von der Alternativmode der 70er und 80er Jahre. Das brachte eine ganz bestimmte Schlampigkeit der Kleidung mit sich. Wenn einer ein schlecht gebügeltes Hemd trägt, ist das lässig, aber wenn das Hemd ungebügelt ist, ist es schlampig. In Berlin fehlt auch das Sich-selbst-attraktiv- Darstellen, was aber allmählich wieder auflebt. Ich glaube jedoch, daß es eine ganze Weile dauern wird, denn noch gibt es zwei Städte in dieser Stadt.
Wird Berlin überhaupt eine Modemetropole?
Niemals, das ist und bleibt Paris. Dort ist die Mode entstanden und gehört zur Kultur. Alle berühmten Modedesigner bemühen sich, ihre Kollektionen in Paris vorzuführen.
Und in Deutschland?
Hier steht man als Modemacher ziemlich halbseiden da. Die Deutschen haben eine gespaltene Meinung zur Mode. Einerseits lieben sie es, wenn jemand gut angezogen ist, andererseits stehen Leute, die sich ernsthaft mit der Mode beschäftigen, immer an der Seite von Heino— also nicht wie in Italien und Frankreich, wo Designer als Künstler begriffen werden. Wenn ich von den Deutschen spreche, meine ich nicht die Ostdeutschen. Nach der Maueröffnung haben wir für face 91 Models angezogen und erlebt, wie sich Ostberliner Designer uns gegenüber verhielten. Sie haben in uns Künstler gesehen, so wie sie es selbst zu DDR- Zeiten gewohnt waren. Ich finde die Frage „Näht ihr selber?“ von Kunden, die in meinen Laden kommen, äußerst dämlich.
Warum?
Da müßte ich den Unterschied zwischen Profis und Dilettanten erklären. Wenn ein Maler ein Bild malt, dann aus innerem Antrieb heraus. Wenn ich Kleidungsstücke entwerfe, will ich sie auch verkaufen. Das heißt, ich muß hinter dem Produkt stehen. Viele Designer begreifen ihre Produkte als Spielerei. Dabei denke ich an die Off-Line. Es gab dort viele Designer mit guten Ideen, aber dreimal umgefärbte Kleider werden eben nicht mehr ernst genommen... Es gehört auch Charisma dazu, ernst genommen zu werden.
Also ein entsprechendes Outfit, um glaubhaft zu sein?
Wer in Paris in eine Boutique geht, findet die Verkäufer so angezogen wie die Kleidung, die auf der Stange hängt. Das ist die beste Werbung für ein Produkt.
Wie ist die Situation von selbständigen Designern in Berlin ?
Sehr viele leiden unter den explodierenden Mietpreisen. Trotzdem kann jeder Designer, der kaufmännisches Denken besitzt, optimistisch sein. Denn Berlin ist größer geworden, und je mehr Leute da sind, um so mehr neue Kunden kommen.
Seit wann machen Sie Mode?
Meine Frau und ich haben 1984 angefangen, zuerst mit Damen- und Herrenmode. Dann haben wir uns auf Herrensachen spezialisiert. Damit sind wir bekannt geworden und haben uns einen Namen gemacht, weil wir mit unserer Mode gegen den Strom schwimmen.
Gegen den Strom?
Wir machen nur unsere eigene Linie, also tragbare Mode. Verkleidungen mag ich nicht. Ich finde sie spießig und provinziell. Man kann heute als Designer nicht mit einer Totalkluft auftauchen, wie sie Anfang der 80er Jahre „in“ war. Das ist vorbei. Wir bekleiden Individualisten.
Wer sind dieses Individualisten?
Azubis, Selbständige, Künstler und Bankdirektoren. Sie haben die Erfahrung gemacht: Wenn sie zum Designer gehen, der tragbare Mode anbietet, sind sie nicht von der Stange gekleidet, sondern haben ein exklusives Modell, was meistens auch länger getragen wird.
Zahlen Ihre Kunden für Exklusivität oder für gute Qualität?
Wir arbeiten mit hochwertigen Materialien, die wir aufwendig verarbeiten. Dadurch unterscheiden wir uns von anderen und natürlich in der äußeren Form.
Und im Preis...
Die obere Grenze für ein Sakko liegt bei etwa 800 Mark, für einen Anzug bei 1.300 Mark. Handarbeit kostet immer viel Geld, und auch Angestellte müssen bezahlt werden. Ich lasse meine Sachen alle in Berlin anfertigen.
Andere Designer lassen in Billiglohnländern produzieren.
Ich will keine Massengüter produzieren. Ich finde es fragwürdig, dann auch noch mit sozialen Argumenten zu kommen — wie sie von der Industrie für die neuen Bundesländer angeführt wurden —, sie wollten sich ein Billiglohnland vor der Haustür schaffen. Das ist schiefgegangen.
Welche Figur muß ein Mann haben, um noncult-Modelle tragen zu können?
Wir machen nichts für dicke Männer, die passen nicht in unseren Stil.
In ihrem Laden hängen kurze und lange Herrenjacken. Sie legen sich also nicht auf eine Länge fest?
Das wäre Modediktatur. Die wichtigste Voraussetzung ist, daß die Handschrift des Designers zum Trend werden kann bis hin zur Massenmode. Die einzelnen Designer unterscheiden sich durch ihre Detailarbeit, etwa ein Sakko von Jean-Paul Gaultier an seiner Schnittführung oder eine Lederjacke von Claude Montana an ihren Steppereien.
Und woran erkennt man die Mode des Alexander von Hof?
An den roten, grünen und blauen Farben und an der körpernahen Form. Die Materialien sind Mohair und Leinen, zum Teil gestreift. In diesem Jahr setzen wir auf den Spacewestern-Stil, Formen aus dem Countrystil, nur in einer anderen Weise interpretiert, ohne Fransen und Westernstiefel. Ich kann das schlecht mit Worten beschreiben.
Woher kommen Ihre Ideen?
Mich inspirieren die Stadt, ein alter Film, ein Buch und manchmal auch der Penner auf der Straße.
Haben Sie Modedesign gelernt?
Ich bin das, was man landläufig einen Dandy nennt. Ich habe mich schon immer gern gut angezogen. Ich bin gelernter Maßkonfektionär, habe eingekauft und verkauft. Seit 1969 trage ich nur selbst entworfene Sachen. Als ich dann nach Berlin kam, habe ich meine erste eigene Kollektion auf die Beine gestellt.
Das ist eine Möglichkeit, in die Modebranche einzusteigen.
Heute ist es sehr schwierig, eine Modeschule zu absolvieren und hinterher selbständig einzusteigen.
Warum?
Weil die gesamte kaufmännische Ausbildung fehlt. Das ist absolut wichtig. Alle Designer in unserer Stadt sind dadurch bekannt geworden, daß sie ihre Kollektion nicht nur selbst entworfen, sondern auch über den Einzelhandel selbst vertrieben haben. Wenn jemand heute eine Kollektion vorstellt und sich Designer nennt, dann müßte er auch fähig sein, seine Kollektion zu finanzieren und zu verkaufen. Da kommen wir wieder zum Dilettantismus, das heißt, jemand schneidet zu Hause auf dem Teppichboden zu, näht selbst — und das vielleicht auch noch schlecht— und kommt sich aber vor wie die rechte Seite von Karl Lagerfeld. Wenn dann Einkäufer ankamen, konnten sie nicht liefern, weil der geschäftliche Hintergrund völlig fehlte. Harry Belafonte hat einmal gesagt, es hat dreißig Jahre gedauert, um über Nacht berühmt zu werden. Ich glaube, daß viele Leute zu große Illusionen haben. Modemachen ist tierisch viel Arbeit.
Das Gespräch führte
Bärbel Petersen
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