GUS-Präsidenten wollen Eingreiftruppe

Einzelheiten der gemeinsamen Truppe noch ungeklärt/ Muster sollen UN-Blauhelme sein/ Andere militärische Streitpunkte weiterhin ungeklärt/ Jelzin bietet Kompromiß bei Atomwaffentransfer an  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Die Staatschefs von Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetuniuon trafen sich „am Rande des Abgrunds“. So charakterisierte Gastgeber Krawtschuk in Kiew zum Auftakt des Gipfels die Wirtschaftslage. Keine einzige „politische, soziale, militärische und wirtschaftliche Frage“ sei „im Rahmen der GUS oder mit ihrer Hilfe gelöst worden“, sagte er mit Verweis auf die Situation in Berg Karabach und Moldawien.

Aber um sich gegenseitig zu bestätigen, daß die Wirtschaft ihrer Staaten kurz vor dem Abgrund steht, hätten die Präsidenten nicht unbedingt in die ukrainische Hauptstadt reisen müssen. Trotz weitere tiefgehender Streitigkeiten fanden die GUS-Chefs auch zu Gemeinsamkeiten. So soll eine „GUS-Blauhelmtruppe“ organisiert werden, die die Bezeichnung „Gruppe zur Friedenserhaltung“ tragen wird. Dies wurde im „Prinzip“ beschlossen, Einzelheiten über Organisation dieser Truppen, genaue Aufgabenbeschreibung und insbesondere darüber, welche Staaten dieses Abkommen unterzeichnen werden, drangen nicht nach außen.

Zweites Gipfel-Ergebnis gestern abend: Das nächste Treffen wird in der usbekischen Hauptstadt Taschkent stattfinden. Somit überdauert das Bündnis noch eine weitere Runde.

Die Probleme mit den strategischen und konventionellen Streitkräften bleiben weiterhin ungelöst. Auch das Tauziehen um die Schwarzmeer-Flotte zwischen Kiew und Moskau, wo sich zwischenzeitlich ein Verständigungsansatz auftat, wurde nicht entschieden. Ein Einlenken bei der Frage der Rückführung aller Nuklearwaffen auf russisches Territorium zeichnete sich ebenfalls nicht ab. Nachdem der ukrainische Präsident Krawtschuk vergangene Woche hatte verlauten lassen, der Transfer werde gestoppt — und in der Tat wurde er ausgesetzt — wartete Jelzin mit einem Gegenvorschlag auf. Um sicher zu gehen, könne die Ukraine die Vernichtung des Nuklearpotentials überwachen. Die Kiewer Forderung, den Prozeß von internationalen Kräften überwachen zu lassen — eine Schmach für die ehemalige Supermacht —, konnte und wollte Jelzin nicht erfüllen.

Krawtschuk ließ inoffiziell keinen Zweifel daran, daß die Beziehungen zu Rußland auf einem Tiefpunkt angekommen sind. Dies brachten auch die Demonstranten zum Ausdruck, die Jelzin bei der Vorbeifahrt in seiner extra aus Moskau eingeflogenen Limousine zeigten, daß sie nicht viel Sympathie haben für ihn, der die ukrainische Unabhängigkeit unabsichtlich mit gefördert hat: „Jelzin, stopp den Kalten Krieg gegen die Ukraine“ und „Nieder mit Moskau, nieder mit der GUS“ stand auf ihren Plakten.