: Umweltminister Lutzenberger gefeuert
Zerstörung des brasilianischen Regenwaldes in Lutzenbergers Amtszeit dramatisch gestiegen/ Streit mit den 6.500 Angestellten der Umweltbehörde/ Lutzenberger wirft Regierung Korruption vor ■ Aus Rio Astrid Prange
Zwei Monate vor der UNO-Umweltkonferenz (UNCED) in Rio de Janeiro hat Brasiliens Präsident Fernando Collor am Samstag seinen Umweltsekretär José Lutzenberger entlassen. Der Träger des alternativen Nobelpreises von 1988 hatte während des Treffens zur Vorbereitung der UNCED in New York die brasilianische Regierung als „korrupt“ bezeichnet und die Industrieländer davor gewarnt, Umweltprojekte in Brasilien zu finanzieren. Als vorübergehender Nachfolger ist der Erziehungsminister des Landes, José Goldenberg, ernannt worden.
Über die Absetzung José Lutzenbergers wurde in Brasilien schon seit einiger Zeit hinter den Kulissen gemunkelt (die taz berichtete). Der Umweltsekretär hatte in Brasilien seinen Ruf verspielt, weil seine Politik keine praktischen Erfolge aufwies. Seine Erklärungen in New York brachten das Faß zum überlaufen. Lutzenberger hatte gesagt, er sei froh, daß die reichsten Industrieländer ihre Hilfe für die brasilianischen Tropenwälder von 1,5 Milliarden Dollar auf 250 Millionen Dollar zusammengestrichen hätten. Das Geld lande nur bei den Beamten, die brasilianische Umweltbehörde IBAMA sei eine „hundertprozentige Niederlassung des Holzhandels“.
Bei den 6.500 IBAMA-Angestellten lösten Lutzenbergers Bemerkungen einen Sturm der Entrüstung aus. Sie verlangten von Präsident Collor die Absetzung ihres obersten Vorgesetzten. Für die Entlassung Lutzenbergers war nicht nur der öffentliche Streit ausschlaggebend. Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen, am vergangenen Freitag, bekam Präsident Collor ein Dossier mit neuen Daten über die Abholzungen und Rodungen im Amazonasgebiet in die Hände.
Im Gegensatz zu den Behauptungen Lutzenbergers, die Zerstörung des Regenwaldes sei 1991 dank seines Einsatzes auf 9.000 Quadratkilometer gesunken, brachte die Auswertung der Satellitenbilder des brasilianischen Raumfahrtinstituts INPE die bittere Wahrheit ans Licht: Die Abholzungen und Brandrodungen haben im vergangenen Jahr wieder die erschreckenden Ausmaße des Rekordjahres 1987 angenommen, nämlich rund 21.000 Quadratkilometer. Im vorangegangenen Jahr betrug die Zerstörung des Regenwaldes 14.000 Quadratkilometer. 1989 gingen 19.000 Quadratkilometer Grünfläche in Flammen auf.
Lutzenberger, der zunächst nicht an seine Entlassung glauben wollte, weigerte sich am Samstag, sein Kündigungsschreiben gegenzuzeichnen. „Ich dachte, ich sollte Präsident Collor direkt beraten“, erklärte er. Später gab sich der 66jährige erleichtert. „Mein einziger Chef ist dieser wunderbare Planet und seine zukünftigen Generationen.“
Siehe auch Kommentar Seite 12
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