: „Endoffensive“ im Süden des Sudan
■ Sudans Regierung holt aus zum großen Schlag gegen die SPLA-Guerilla/ Fällt das SPLA-Hauptquartier?
Berlin (taz) — Eine andauernde Großoffensive der sudanesischen Armee gegen die südliche Guerillabewegung „Sudanesische Volksbefreiungsarmee“ (SPLA) hat den Regierungstruppen entscheidende Geländegewinne gebracht und sie am Wochenende bis vor die Tore der Stadt Bor geführt, wo sich das SPLA- Hauptquartier befindet. Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Cap Anamur“, die Ende letzter Woche aus dem Kampfgebiet ausgeflogen wurden, berichteten am Samstag von starken Truppenkonzentrationen rings um die Stadt.
Begonnen hatte die Offensive vor zwei Wochen, als die Stadt Pochala an der äthiopischen Grenze an die Regierung fiel. Nach SPLA-Angaben handelt es sich um eine „Endoffensive“ der Regierung aus fünf Richtungen; im Süden solle die Guerilla von ihren Nachschubbasen an den äthiopischen, kenianischen und ugandischen Grenzen abgeschnitten werden, im Norden wolle die Regierung die Provinz Süd-Kordofan zurückerobern und die SPLA bis jenseits der großen Nil-Sümpfe zurückdrängen. Hier toben seit Monaten heftige Kämpfe zwischen der SPLA und einer abgespaltenen Gruppe unter Führung des Kommandanten Lam Akol. Er hat mit Unterstützung der Regierung alte ethnische Feindseligkeiten ausgenutzt und das Volk der Nuer in den Krieg gegen die Dinka geschickt; letztere sind eine Hauptstütze der SPLA. In der Region von Yirol, etwa 100 Kilometer von Bor entfernt, ist es zu Massakern an den Dinka gekommen.
Wenn die Regierungsstrategie aufgeht, wäre ein jahrzehntelanger Kampf des schwarzafrikanischen Südens gegen den arabischen Norden auf innersüdliche Stammesrivalitäten reduziert und damit politisch entschärft. Die SPLA unter John Garang befindet sich seit 1983 im Krieg gegen die jeweiligen sudanesischen Regierungen in Khartum. Es war ihr zunächst schnell gelungen, fast den gesamten Süden mit Ausnahme von Juba, der größten Stadt, unter ihre Kontrolle zu bringen. Durch massive iranische Waffenlieferungen haben die Regierungsstreitkräfte jetzt jedoch ihre Luftüberlegenheit wiedererlangt. So wurde vor wenigen Tagen die als „sicher“ geltende Stadt Kapoeta nahe der Grenze zu Kenia bombardiert.
Die neue Großoffensive der Regierung steht im Zusammenhang mit anstehenden Friedensverhandlungen. Eine ursprünglich für Ende März geplante Friedenskonferenz in Nigeria ist zwar vorerst verschoben worden, dennoch hielten bis zuletzt beide Seiten an den Gesprächen fest. Die Regierung bietet eine „Föderalisierung“ des Sudan an: Danach soll die islamische Scharia-Gesetzgebung im Süden nicht gelten. Die SPLA hingegen fordert nach den Worten ihres Kommandanten Lincoln, der sich vor kurzem in Deutschland aufhielt, „einen Sudan ohne Scharia“ und akzeptiert keinen Sonderstatus für den Süden. Sie setzt auf den Sturz der seit 1989 regierenden islamistischen Militärjunta von General Beschir und die Schaffung eines säkularisierten Staates.
Sollte es Khartum gelingen, die SPLA als Machtfaktor auszuschalten, könnte die Regierung eine Friedensübereinkunft mit der Lam- Akol-Fraktion der SPLA treffen, wonach diese eine beschränkte Hoheit über Teile des Südens erhält. Informelle Kontakte in diesem Sinne sollen bereits stattgefunden haben. D.J.
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