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Einen Kopf zu groß

■ Mit einem 97:75 im 3. Spiel gegen Gießen schaffte Alba Berlin den Einzug ins Basketball-Halbfinale

Berlin (taz) — Nicht viel hätte gefehlt, und die Saison 1991/92 wäre für den Basketball-Bundesligisten Alba Berlin ein totales Fiasko geworden. Völlige Chancenlosigkeit im Europacup, frühes Ausscheiden im Pokal, und auch in der Meisterschaft schwebte beim Viertelfinal- Playoff gegen den MTV Gießen das Verhängnis bereits dicht über dem Vize-Champion der vergangenen Spielzeit, der in dieser Saison mit neuem Sponsor und neuen Starspielern wie Uwe Blab und Emir Mutapcic eigentlich zum europäischen Spitzenteam avancieren wollte.

Dabei schienen die Gießener zum Playoff-Auftakt eigentlich ein willkommenes Opfer zum Warmspielen zu sein. Doch dann landeten sie einen hinterlistigen Coup. In einer Blitzaktion wurde extra für die Endphase der Meisterschaft der US-Spieler Leon Wood, einstiger Mitstreiter von Michael Jordan und Magic Johnson, verpflichtet, und der Olympiasieger von 1984 gab den „Albatrossen“, wie sie sich inzwischen stolz nennen, manches Rätsel auf.

Die erste Partie der „Best of three“-Serie konnten die Berliner in eigener Halle nach zweimaliger Verlängerung noch äußerst glücklich gewinnen, in Gießen trumpfte der kahlköpfige Wood jedoch mächtig auf und ließ den schlappen Hauptstädtern nicht die Spur einer Chance. Eine Bauchlandung der schwerfälligen Sturmvögel aus Berlin schien nicht mehr unwahrscheinlich, zumal vor allem ihre Säulen unter dem Korb, Uwe Blab und Sven Meyer, in den ersten beiden Spielen eine Treffsicherheit gezeigt hatten, die, übertragen auf den Fischfang, jeden leibhaftigen Albatros dem Hungertod preisgegeben hätte.

Vor allem Uwe Blab war es jedoch, der im dritten Spiel dafür sorgte, daß Alba doch noch das Halbfinale erreichte. Der 2,17 Meter große Center ließ sich auch von der hochaggressiven Bewachung durch seinen kleinen Bruder Olaf (2,10 Meter) nicht beirren, schnappte sich zwanzig Rebounds und warf 32 Punkte. Hinzu kamen starke Leistungen des 20jährigen Ingo Freyer, dem einzigen Berliner, dessen Physiognomie dank seiner neuen Frisur eine gewisse Ähnlichkeit mit der Spezies der Diomedeidae, des Alba-Wappenvogels, aufweist, und von Zoran Radovic, dem eleganten Spielmacher.

Entscheidend allerdings war die eklatante Wurfschwäche des Leon Wood. Ihm gelangen zwar immer noch 26 Punkte, doch jede Menge Würfe des Ex-NBA-Spielers landeten auf dem Korbrand oder vollkommen daneben, einige Male gelang es Wood nicht einmal bei einsamen Kontern, den Ball im Korb unterzubringen. Seine Mitspieler paßten sich der miserablen Wurfquote ihres Interimstars an, was sich bei ihrer körperlichen Unterlegenheit fatal auswirkte. Da die Berliner fast jeden Rebound ergatterten, war Gießen darauf angewiesen, daß der erste Wurf saß, während Blab und Co. meist zwei oder gar drei Versuche hatten.

97:75 hieß es unter diesen Umständen am Schluß, schließlich doch noch ein deutlicher Erfolg für die Albatrosse, die nun im Halbfinale in einer „Best of five“-Serie gegen die BG Stuttgart/Ludwigsburg antreten müssen, jenes Team, gegen das sie in Pokal und Meisterschaft in eigener Halle bereits zweimal verloren haben. „Ein heißes Tänzchen“, prophezeite Alba-Manager Marco Baldi, entscheiden werde „das Kämpferherz“. Das andere Halbfinale bestreiten Leverkusen und Bamberg.

Sichtlich enttäuscht war Hans Brauer, der Coach des MTV Gießen. „Wenn es nicht läuft, läuft es auch bei guten Leuten wie Wood nicht“, nahm er seinen US-Profi in Schutz, schloß aber gleichzeitig aus, daß dieser weiterhin für Gießen auf Korbjagd geht: „Er kostet den halben Mannschaftsetat, da haben wir keine Wahl.“ Matti

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