: „Nicht in den Ski verkrallen“
■ Alberto Tomba und Carole Merle waren die siegreichsten Mitglieder des alpinen Weltcupzirkus, die Trophäen für den Gesamtsieg gingen dennoch an Petra Kronberger und Paul Accola
Crans Montana (dpa/taz) — Zum letzten Mal in diesem alpinen Skiwinter ließ sich Alberto Tomba im Stile eines zu Tode getroffenen Operntenors zu Boden sinken und küßte noch einmal zum Abschied jene weiße Substanz, die ihn berühmt gemacht hat: den Schnee. Auch im schweizerischen Crans Montana hatte die wendige Frohnatur aus Bologna seinen Konkurrenten ein Näschen gedreht und vor dem Schweizer Paul Accola und dem norwegischen Olympiasieger Finn Christian Jagge den Slalom gewonnen.
Zum seinem 25. Geburtstag hatte ihm Accola noch eine Uhr geschenkt, zum Zeichen, daß die Zeit des Italieners endgültig abgelaufen sei, doch es blieb bei der symbolischen Geste. Zwar holte sich Accola den Gesamt-Weltcup, doch der überragende Skifahrer des Winters war erneut kein anderer als Alberto Tomba. Als erster alpiner Läufer überhaupt schaffte er es, Olympia- Gold (im Riesenslalom) zu verteidigen, insgesamt gewann er sechs Slalom- und drei Riesenslalom-Rennen. Der Gesamt-Weltcup entging ihm nur, weil er weiterhin das Flehen seiner Familie erhört und auf eine Teilnahme am Super-G verzichtet hatte, nachdem er in dieser Disziplin einmal schwer gestürzt war. Accola, der auch den Super-G-Weltcup einheimste, brachte es lediglich auf vier Weltcup-Triumphe. In Crans Monatana präsentierten sich die beiden großen Rivalen am Schluß demonstrativ Arm in Arm und betonten: „Wir haben dieses Duell genossen. Wir hoffen, daß auch das Publikum daran seine Freude hatte.“
Die Abfahrt stand ganz im Zeichen des Schweizers Franz Heinzer, der vier Rennen gewann, darunter die Doppelabfahrt auf der Kitzbüheler Streif, und nur mit der olympischen Strecke auf der „Face de Bellevarde“ bei Val d'Isere nicht zurechtkam. Vor allem bei den Abfahrern war die 26. Weltcupsaison eine gigantische Materialschlacht. „Ähnlich wie in der Formel1 werden auch im Abfahrtsrennsport die Kurvengeschwindigkeiten immer höher“, beobachtet der ehemalige Schweizer Chef-Trainer Karl Frehsner. Peter Müller, der nach 15jähriger Zugehörigkeit zum Weltcup-Zirkus seine letzte Saison bestritt, führte einst eine neue Technik ein, indem er durch die Kurven rutschte. Pirmin Zurbriggen „würgte“ seine Ski nach eigener Aussage regelrecht, heute jedoch ist sanftes Gleiten die Devise. Die neuen taillierten Bretter mit einer Anti-Vibrations-Platte unter dem Schuh unterstützen diese Technik. „Man muß die Ski nur laufen lassen und locker draufstehen, nur ja nicht verkrampfen“, sagt Heinzer. Frehsner drückt es etwas drastischer aus: „Der Fahrer darf sich mit den Zehen nicht in den Ski verkrallen.“
Bei den Frauen war die Französin Carole Merle mit sieben Einzelsiegen die erfolgreichste Läuferin und brillierte besonders beim Finale in Crans Montana, wo sie zwei Super- G-Rennen und den Riesenslalom für sich entschied. Zum Gesamt-Weltcup reichte es dennoch nicht; den holte sich die Österreicherin Petra Kronberger, obwohl diese lediglich zwei Einzelrennen gewinnen konnte. Dritte hinter Kronberger und Merle wurde Katja Seizinger, die nach Merle und der Schweizerin Vreni Schneider (fünf Siege) mit vier Erfolgen am häufigsten auf dem Siegerpodest stand und zum Trost für den enttäuschenden vierten Platz bei der Olympia-Abfahrt von Meribel den Abfahrts-Weltcup nach Halblech entführen durfte.
In der breiten Leistungsdichte bei den Herren mit 16 verschiedenen Weltcup-Einzelsiegern in 31 Rennen gelangte nur ein Deutscher ganz nach oben: Markus Wasmeier bei seinem Abfahrtssieg in Garmisch-Partenkirchen. Der DSV mag sich mit den großen Alpenländern trösten: Österreich (Günther Mader im Super-G) und Frankreich (Patrice Bianchi im Slalom) erreichten ebenso nur einen Sieg wie die Amerikaner durch A.J. Kitt (Abfahrt) und der Luxemburger Marc Girardelli (Super-G) als Weltcup-Verteidiger.
Bitter endete die Saison für Armin Bittner aus Krün. Der Slalom-Spezialist kam in Crans Montana auf den achten Rang und fiel damit aus der Startgruppe der besten 15 heraus. „Mir ist das egal“, sagte der Rebell, der sein Recht auf eigene Werbeeinnahmen gegen den DSV gerichtlich erstritten hatte. „Ich bin kaputt.“ Matti
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