piwik no script img

Kein Sperrbezirk für Parlament und Regierung

■ Die Diskussionsreihe im Reichstag über die Hauptstadtplanung wurde fortgesetzt/ Auf dem Podium gab es kaum Widerspruch/ Bonner Politiker wollen aus dem Parlaments-Getto heraus und zu den Bürgern

Berlin. Mit »Stadt und Staat im Widerspruch« sollte sich die Diskussion am Montag abend im Berliner Reichstag über Hauptstadtplanung befassen. Jedoch das Thema blieb schwer greifbar, und der rechte Widerspruch mochte auch nicht aufkommen, trotz der Bemühungen der Moderatorin Georgia Tornow, jenen zu provozieren: Sowohl der Vertreter des Bundesbauministeriums, Günther Schäffel als auch der Veranstalter, Senatsbaudirektor Hans Stimmann, (SPD) wie auch die Vertreter von CDU, Grünen und FDP waren sich einig: Der Bund müsse rasch nach Berlin kommen, Sicherheitseinrichtungen für Bundesgebäude seien notwendig, dürften aber das Leben in der Innenstadt nicht beeinträchtigen, wo trotz der geplanten Ansiedlung von vier Ministerien eine »multifunktionale Mischung« bleiben soll.

Schäffel, der für das Bundesbauministerium in der Konzeptkommission des Bundestages sitzt, plädierte für Begegnungsstätten zwischen Bürgern und Politikern im Stadtzentrum. Der Bund möchte in die Diskussionen der Stadt einbezogen werden, so Schäffel, habe aber keine Standortwünsche. »Der Bund will nicht dominieren, sondern den weiten Mantel leerer Gebäude, der in der Stadtmitte vorhanden ist, füllen«, sagte Schäffel. Eines allerdings war für Schäffel klar: »Wir wollen nicht in Behelfe umziehen.«

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Starnick, früher in Berlin Umweltsenator, beschwor die persönliche Kommunikation, die in Bonn weniger im Plenarsaal, denn in den Gängen und den Bars stattfinde. In Bonn lebten Bund und Stadt völlig nebenher, das Parlament befinde sich im Getto. Dies empfänden die Parlamentarier als Mangel und wollten sich deshalb in Berlin zur Mitte, zu den Bürgern hinwenden. Den Einwurf, die Bundestagsabgeordneten seien in Bonn nicht heimisch, und kaum einer habe seine Familie dort, konterte Starnick mit der Bemerkung: »Das liegt daran, daß die alle ihre Freundin in Bonn haben.«

Ein wenig Kritik kam von der grünen Abgeordneten Michaele Schreyer. Es gehe nicht nur darum, wo der Bund untergebracht werde, sondern wie. Sie sei dafür, daß der Bund schnell komme, allerdings vor allem deswegen, damit die Bundesregierung die Probleme der Vereinigung hautnah miterlebte. Dafür müsse jedoch nicht alles perfekt gebaut sein. Daß der Bund versuche, im Bundesbaugesetz einen Vorrang für Bundesbauten festzuschreiben sei undemokratisch. Dem CDU-Abgeordneten Uwe Lehmann-Brauns war Eile das wichtigste. Wenn im Jahr 1995 in Berlin noch keine baulichen Tatsachen geschaffen seien, würde der nächste Bundestag den Berlin- Beschluß womöglich revidieren. Es gebe genug Beispiele, wo Bauvorhaben an langen Diskussionen gescheitert seien, etwa das geplante Deutsche Historische Museum. Stimmann hingegen sagte, die Zeitfrage sei vorgeschoben. Wenn es Konsens gebe, gehe es immer schnell. Ein Bauvorhaben dieser Größenordnung brauche Entwicklungszeit, sagte Stimmann. Jedoch könne das Bundesbauministerium sofort nach Berlin kommen. »Das sind wenig Leute, und hier ist sowieso am meisten los«, sagte Stimmann.

Das Podium fand wieder den Konsens, als es um Sicherheit ging. Parlament und Regierung sollten nicht in einem Sperrbezirk arbeiten, sagte Schreyer. Die Sicherheitsbürokratie in Bonn habe sich verselbständigt, gegen den Willen der Minister oder Parlamentarier, sagte Starnick. Er habe gelernt, daß es in Berlin ein Höchstmaß an Offenheit geben müsse, sagte Schäffel.

Der einzig konkrete Fall, wo Sicherheitsinteressen denen der Bevölkerung zuwiderlaufen, wurde nur am Rande angesprochen: Für das Kanzleramt am Spreebogen sollen beide Uferwege gesperrt werden. Dies dürfe Berlin nicht akzeptieren, sagte Schreyer. Das wiederum sah Schäffel anders: Wegen der Sperrung des Spreeufers werde es noch intensive Auseinandersetzungen geben, meinte er. Bereits zuvor hatten die Sicherheitsexperten im Reichstag zugeschlagen: Dieser Abend war der erste, bei dem ein Bonner anwesend war — und der erste, bei dem die Einladungen kontrolliert wurden. Eva Schweitzer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen