: Wahlkampf mit Windei
Beinahe — beinahe hätten Italiens Christdemokraten ihr großes Wahlkampfthema gehabt: die Verschwörung der bösen Welt gegen die Democrazia Cristiana. „Staatsstreichgefahr“ drohe, so Innenminister Scotti, DC, und schickte ein Rundschreiben an alle Polizeichefs des Landes, dem „Destabilisierungsversuch entschlossen zu begegnen“; Vittorio Sbardella, Vertrauter des Regierungschefs Giulio Andreotti, grummelte: „Es sind die Amerikaner.“ Politische Attentate werde es geben, gegen hohe Repräsentanten der Katholen-Partei vor allem, ein Präsidentschaftskandidat solle entführt werden. Die Nachricht komme direkt von einem Geheimdienst-Konfidenten.
Die Sache lief gut an, auch die ausländischen Medien druckten die „Enthüllungen“ brav nach, zumal kurz zuvor der Papst höchstselbst über ein „Komplott gegen die katholische Kirche“ orakelt hatte.
Doch nun, oh weh, erwies sich die Verschwörung erstmal als ziemlich windige Sache. Der Geheimdienstkonfident ist eben jener „notorische Lügner“ (Urteil des Obersten Gerichtshofes), der schon vor einem Jahrzehnt die Ermittlungen wegen des Anschlags auf dem Bahnhof Bologna 1980 (85 Tote) mit Hilfe einer „deutschen Spur“ monatelang in die falsche Richtung gelenkt hatte. Nun herrscht christdemokratischer Katzenjammer. Regierungschef Andreotti empfahl seinem Innenminister, „Quellen besser zu prüfen“ und schickt nun seine Leute auf die mühsame Suche nach wasserdichteren Gags.
Dennoch: ganz so einfach sollte man die von Scotti gemutmaßte „Destabilisierungs-Kampagne“ durch ausländische Dienste auch wieder nicht ins Satire-Archiv legen. Die US-Botschaft in Rom betrachtet die Welle von Gewalt, die Italien derzeit zunehmend verunsichert, keineswegs mit traurigen Augen; schließlich haben die CIA und die anderen Geheimdienste in den Staaten Europas — neben Japan — den künftigen Hauptgegner der USA ausgemacht, Präsident Bush bedient sich dieser Richtungsvorgabe auch im Wahlkampf. Italien zum Einstieg in eine Schwächungs- Aktion Europas zu nutzen, hätte auch Tradition — als Europa in den siebziger Jahren die ersten selbständigen politischen Gehversuche in Weltpolitik unternahm, beantworteten die Amerikaner dies in Zusammenarbeit mit den Israelis mit einer massiven Unterstützung des Links- und Rechtsterrorismus in Italien. Werner Raith
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