: Perrier: Der Verlierer sahnt ab
■ Französischer Mineralwasser- und Nahrungsmittelkonzern wird aufgeteilt/ Verlierer Agnelli macht zwar einen Supergewinn, hat in Italien aber sein Ansehen mit der gescheiterten Übernahme verspielt
Paris (dpa/taz) — Die beiden führenden europäischen Nahrungsmittel-Konzerne teilen sich künftig den lukrativen französischen Mineralwassermarkt. Nach viermonatigen Börsen- und Justizgefechten gegen die italienische Industriellensippe Agnelli um den weltgrößten Mineralwasserhersteller Perrier und die Perrier-Holding Exor setzten sich die Schweizer Nestlé AG und die französische BSN auf ganzer Linie durch. Agnelli, der im Februar noch wie der sichere Sieger ausgesehen hatte, akzeptierte nach mehreren Niederlagen vor Gericht ein altes BSN-Angebot zur Aufteilung von Perrier, das er bisher strikt abgelehnt hatte.
Danach wird die Perrier-Gruppe von Nestlé mit Hilfe der Bank Indosuez übernommen, zerschlagen und aufgeteilt. Die Schweizer behalten das Markenwasser Perrier und besetzen samt eigener Marken rund 50 Prozent des französischen Marktes. Andere Markenwasser wie Volvic werden für 3,05 Millarden Franc (knapp 900 Mio. DM) an BSN verkauft, das mit seinem Sortiment (Evian, Badoit) seinen Marktanteil auf über 40 Prozent erhöht. Die zu Perrier SA gehörenden Rocquefort- Käse gehen vorerst an die Agrarbank Credit Agricole.
Agnelli lenkte ein, nachdem Gerichte einen Teil der von ihm indirekt kontrollierten Perrier-Aktien wegen Verstoßes gegen Börsenregeln eingefroren hatten. Doch der Verlierer läßt sich sein Einlenken teuer bezahlen: Nestlé und BSN akzeptieren, daß die Agnelli-Holding Ifint die Exor SA für 6,17 Milliarden Franc übernimmt. Der Verkauf der Perrier-Beteiligung an Nestlé läßt aber 4,85 Milliarden Franc in die Exor- Kassen fließen. Damit erhält Agnelli die Restholding fast geschenkt: Denn Exor behält Immobilien für vier Milliarden Franc, Beteiligungen für 1,27 Milliarden Franc sowie die edlen Margaux-Weine im Werte von 1,5 Milliarden Franc.
Um diese Lösung technisch zu verwirklichen, wird Nestlé/Indosuez das eigene Übernahmeangebot für Perrier von 1.475 auf 1.700 Franc je Aktie Titel (nach Dividendenausschüttung) erhöhen. Damit wird die Aktie um 400 Franc teurer als bei ihrer letzten Notierung vor dem Übernahmekampf. Agnelli kann die Exor-Titel für 1.450 Franc übernehmen, weil Nestlé/BSN auf Überbietungen verzichten.
Gewinn für alle Beteiligten
Die Wahrung seiner Finanzinteressen erlaubt Agnelli, sich mit BSN- Chef Antoine Riboud auszusöhnen. Agnelli soll (mit angeblich acht Prozent) größter BSN-Einzelaktionär sein. Riboud hatte ihn unter der Bedingung als Partner akzeptiert, daß er keine Machtposition auf dem französischen Nahrungsmittelmarkt anstrebt. Mit seinem Durst auf Sprudelwasser drohte Agnelli zur lästigen „Laus im BSN-Pelz“ zu werden. Um dies zu verhindern, stützte sich Riboud auf Nestlé, die sich erst kürzlich bei der Übernahme des tschechoslowakischen Süßwarenherstellers Cokoladovny als Bündnispartner bewährt hatte.
Finanziell ist die gescheiterte feindliche Übernahme für Agnelli also ohne Blessuren ausgegangen. Gescheitert ist jedoch der Einstieg in das europäische Edel-Lebensmittelgeschäft. In dieser Branche wollte die Fiat-Familie angesichts stagnierender Auto- und Waffengschäfte sich ein neues, gewinnbringendes Standbein schaffen. Innerhalb Italiens wäre das nach den dort geltenden Spielregeln der Finanzaristokratie nicht möglich gewesen: Der einzige in Frage kommende Großkonzern, Ferruzzi, gehört ebenfalls zu den alten Unternehmen des Landes, weshalb die Agnelli den Konzern nie offen in ihre Abhängigkeit bringen würden — aber vielleicht versuchen sie es jetzt heimlich, wie einst bei Ferrari. Dort wurde erst nach dem Tode des alten Firmenpatriarchen bekannt, daß Ferrari schon lange zu Fiat gehörte.
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