Massenwandertag gegen Sparkurs

■ Mit Streiks, Demonstrationen und Wandertagen protestierten mehr als 12.000 LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen gegen die Sparmaßnahmen

Berlin. Die Stimmung war gut, auch wenn die Lage hoffnungslos ist. Zu Monstern mutierte Sparschweine und leuchtende »Warnstreik«-Schilder bestimmten für einige Stunden das Bild der Berliner Innenstadt. Trotz Nieselregens und klirrender Kälte suchten Kids, froh über den schulfreien Tag, ihre Klassen; die schulischen Autoritäten sangen unter Regenschirmen. »Bildung statt Olympia« und »Aufbau statt Abbau im Bildungsbereich«, wurde auf Transparenten gefordert.

Unter dem Motto »Stoppt Klemanns Sparschwein« zogen gestern mittag mehr als 5.000 LehrerInnen und SchülerInnen vom Wittenbergplatz in die Nähe des Rathauses Schöneberg, um gegen die Erhöhung der Pflichtstundenzahl zu protestieren. So voll die Straßen waren, so leer waren in einigen Bezirken am Vormittag die Klassenräume und Schulhöfe. Mindestens 12.000 PädagogInnen — darunter viele verbeamtete — waren nach eigenen Angaben dem Aufruf der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) gefolgt. In Ost- Berlin wurde an 50 ausgewählten Schulen nicht unterrichtet. »Die Schulen haben das jeweils für sich selbst entschieden«, sagte Bernd Galle, Kreuzberger Lehrer. »Auch wenn das Abgeordnetenhaus morgen die Erhöhung endültig beschließen wird, soll der Senat wissen, daß wir uns nicht alles gefallen lassen«, begründete er seine Teilnahme am Streik. Einige Schulen wurden vollständig — einschließlich der Schulleitung — bestreikt, andere Schulen veranstalteten »Wandertage« oder spielten geschlossen »Stadt, Land, Fluß«. Besonders groß war die Streikbeteiligung in Kreuzberg, Neukölln und im Wedding.

Die GEW wollte mit den Protestaktionen vor allem Druck auf das Abgeordnetenhaus ausüben, das in seiner heutigen Sitzung über die Sparmaßnahmen im Schulbereich beraten will: »Durch die Politik der Desinformation glauben noch immer viele Abgeordnete, durch die Arbeitszeitverlängerung würde ein Sparbeitrag erbracht; tatsächlich wird nur der rechnerische Überhang von Lehrern in der Stadt von jetzt 2.000 auf 3.500 erhöht«, meinte der GEW-Vorsitzende Erhard Laube. Barbara Arndt vom Landeselternausschuß unterstützte den Streik aus Furcht vor »unbotmäßigen Verschlechterungen im Schulbereich«. Die Arbeitszeitverlängerung führt ihrer Meinung nach zu einer »größeren Orientierungs- und Bindungslosigkeit der Schülerinnen und Schüler«. Der Protest der SchülerInnen richtete sich gegen eine mögliche Einschränkung bei Arbeitsgruppen und Klassenfahrten sowie gegen Unterrichtsverkürzungen.

Scharfe Kritik richtete die GEW gegen Schulsenator Klemann (CDU), der versucht habe, die LehrerInnen »einzuschüchtern«. Die Fraktion Bündnis 90/ Grüne kündigte unterdessen einen Mißtrauensantrag gegen den Schulsenator an. Die Schulverwaltung teilte unterdessen mit, daß die Protestaktionen nichts an den vom Senat beschlossenen Sparmaßnahmen ändern werden. Klemann: »Diziplinarverfahren und arbeitsrechtliche Abmahnungen werden das einzige Ergebnis dieser Aktion sein.« Thekla Dannenberg