: NEU IM KINO: Die Dame... Die unwürdige Greisin
Was könnte wohl aus den eleganten Gaunern geworden sein, die wir von Lubitschs, Hitchcock oder Blake Edwards kennen: den Meisterdieben und geschickten Betrügern, die auf den Dächern von Nizza und in den noblen Hotels von Paris Diamantenkolliere stibitzten und Herzen brachen; welche Abenteuer könnten sie im hohen Alter noch erleben?
„Die Dame, die im Meer spazierte“ erzählt uns solch eine Geschichte. Der Film ist ein Abgesang auf diese luxuriösen Gaunerkomödien, und Jeanne Moreau ist so exquisit gealtert, daß sie alleine all den Glamour, den Esprit dieses Genres wieder zum Leben erweckt.
„Dies ist die Geschichte einer alten Schlampe, eines Tattergreises und eines Gigolos“ — so die treffende Zusammenfassung vom Autor der Romanvorlage, Frederic Dard. Lady M. hat in einer langen kriminellen Karriere soviel Vermögen angehäuft, daß sie jetzt nur noch zum reinen Vergnügen stiehlt; Pompilius ist ihr hochgebildeter alter Komplize; ihre Leidenschaften ihm gegenüber sind längst erloschen („ich glaube, ich behalte dich nur noch wegen deiner Anzüge und deines Konjunktiv Imperfekt“). Lambert ist ein junger Strandaufseher, der neue Kronprinz der unwürdigen Greisin und wahrscheinlich der letzte ihrer 2.017 Liebhaber.
Ein paar Millionen werden erpreßt, einige Juwelen gestohlen; zwischen den dreien entwickelt sich ein Eifersuchtsdrama. Aber der Plot ist hier ganz nebensächlich. Die Hauptattraktion dieses Films ist Jeanne Moreau mit ihrem obzönen Mundwerk. Der Gegensatz zwischen ihrer an Deftigkeit kaum zu überbietenden Ausdrucksweise und dem piekfeinen Ambiente ist einfach frappant.
Michel Serrault spielt den Pompilius vollzüglich, und der junge Regisseur Laurent Heynemann hat den Film gediegen, manchmal ein wenig zu glatt inszeniert, aber Jeanne Moreau beherrscht diesen Film wie Lady M. ihre beiden „Menschlein“ (ihr zärtlichstes Kosewort). Wilfried Hippen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen