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StandbildQuark mit Soße und Rosinen

■ "Wir sind alle auf der Durchreise", ZDF, Mittwoch, 21 Uhr

Lebensweisheiten von Kindern und Prominenten waren uns versprochen worden. Auf der Reise durch das Abendprogramm legten wir also, zwischen seelenlosem Nationalfußball und bayerischer Volksmusik, bei der neuen Kontext-Ausgabe eine Pause ein. Doch unsere Zwischenstation stellte sich rasch als toter Bahnhof heraus.

Eine Silvia Schmidt hatte vier Prominente ausfindig gemacht, die bereit waren, sich zur Bibel zu äußern. Wir befinden uns ja, wie die Kirche allerorten glaubhaft versichert, im Jahr der Bibel. Elke Heidenreich zeigte sich auch sofort orientiert, ja, sie lese die Bibel auch auf Zugfahrten, da seien viele tolle Geschichten drin. Kabarettist Hüsch, nicht weniger bibelfest, blubberte munter drauflos, äugte dabei belehrend durch sein Brillenglas, um schließlich in völligen Blödsinn abzudriften. Man solle sich durchaus an die Bibel halten, wenn auch nicht zu sehr, floß es aus seinem Munde, dann wäre alles lieber, schöner und sozialer mit uns Menschen hinieden auf Erden.

Lotti Huber hingegen konnte dem Buch der Bücher keinen großen Reiz mehr abgewinnen, es sei denn als Abenteuergeschichte. Eberhard Feik schließlich, dem unlängst vom Dalai Lama ein Lichtlein aufgesteckt ward, antwortete ehrlich und tiefsinnig. Wichtig sei ihm eigentlich nur eines, so hörten wir entgeistert, sein eigener Tod.

Eberhard! Im Abendprogramm solch schwarze Gedanken: Aber so genau wollte es Frau Silvia Schmidt auch gar nicht wissen. Sie hatte die Gespräche übrigens sorgfältig zerschnippelt und mit Bildern aus einem Zugabteil wieder zusammenmontiert. Vermutlich hat sie dabei viel Freude gehabt. Ihr Kollege, der Jochen Loebbert, ging in dieser Hinsicht noch einen radikalen Schritt weiter. Der aufrüttelnden Pädagogik der Frühsiebziger verpflichtet, schnitt er in die Erörterungen seiner Fernsehkinder einige grausame Szenen aus dem Golfkrieg.

Den Kindern war aufgegeben worden, sich über Krieg und Frieden, Gott und die Welt zu äußern. Das taten sie wie alle netten Kinder und alle, die sich hierzulande auf einem Plenum zu Wort melden. Krieg ist irgendwie nicht so gut, und schwupp! paddelten ölverseuchte Vögel über den Bildschirm, hilflos mit den Flügeln flappend. „Die Erde ist schon so gereizt“, mutmaßte ein zarter Knabe, „daß es wohl immer Krieg geben wird.“ Aber da war der Zuschauer schon so gereizt, daß er sich auch nicht mehr für die liebevollen Nahaufnahmen kleiner Klugscheißer erwärmen konnte. Es ist ein Kreuz mit diesen kirchlichen Sendungen. Immer hinken sie zwanzig Jahre hinterher. Immer noch gehen sie mit ihrer räudigen Wahrheit hausieren. Immer wollen sie Gutes tun und servieren doch immer nur Quark mit Soße und Rosinen. Olga O'Groschen

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