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Kein Rächer von Texas

■ Reiner Pfeiffer, Star der Barschel-Affaire, ist wieder Chefredakteur in Bremen

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Titelblatt

„Spektrum“

Am Mittwoch schlenderte er nach Jahren das erste Mal wieder durch die Lobby der Bremer Bürgerschaft und war ziemlich überrascht: „Die haben mich ganz normal gegrüßt. Claus Jäger kam sogar direkt auf mich zu, um mit mir zu plauern.“

Reiner Pfeiffer (53), im Herbst 1987 durch seine Spiegel-Enthüllungen über die krummen Wahlkampftricks des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel für Wochen zum internationalen Medienstar avanciert, hat wieder ganz unten angefangen. Und zwar als Chefredakteur in Bremen.

Die Zeitschrift, der Pfeiffer seinen wiedergewonnenen Titel verdankt, heißt „Bremer Spektrum“. Gerade ist die Nullnummer an die Kioske ausgeliefert worden. Michael Wulff, Herausgeber und im Hauptberuf Inhaber einer gleichnamigen Zeitarbeitsfirma, habe sich verpflichtet, die Defizite des neuen Hochglanz- Monatsmagazins „für Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Kultur“ ein Jahr lang zu übernehmen, sagt der Chefredakteur. Dann soll sich das Heft aus dem Verkaufspreis von 2,50 Mark und den Anzeigenerlösen selber tragen.

Ein hoch gestecktes Ziel, wie offenbar auch Herausgeber Wulff weiß. Vorsichtig hat er außer dem namhaften Chefredakteur auf alle Personalkosten verzichtet. Und so sitzt Reiner Pfeiffer seit Anfang März die allermeiste Zeit allein im Hinterzimmer der Zeitarbeitsfirma mit Blick auf den Schwerlastverkehr der Neuenlander Straße, vor sich den Kleincomputer für Satz und Layout und das unvermeidliche Telefon.

„Ich habe eben klein wieder angefangen“, sagt Pfeiffer. Neun Jahre lang war er schon einmal — als Chef- und Politik-Redakteur des Weser-Report — in Bremen. Der Barschel-Wahlkampf, für den er später vom Springer-Verlag nach Kiel ausgeliehen worden war, endete für ihn mit über 20 Unterlassungsklagen, 18 Ermittlungsverfahren, aber letztlich nur einer einzigen Verurteilung: 9.800 Mark Geldstrafe für das Verfassen einer gefälschten Erklärung der Grünen, in der der Kircheneintritt Björn Engholms scharf kritisiert wurde.

Eine Million Mark habe ihm später die „Bunte“ geboten, wenn er seine im Spiegel erhobenen Anschuldigungen gegen Uwe Barschel wieder zurücknimmt, sagt Pfeiffer. Heute will er mit dem Thema „am liebsten einfach in Ruhe gelassen werden“. Und auch zu neuem Ruhm treibt es ihn in seiner neuen Chefredakteurs- Rolle beim Zeitarbeitgeber Wulff auch nicht mehr. „Ich werde hier bestimmt nicht den Rächer von Texas spielen“, verspricht Pfeiffer.

Und tatsächlich wartet das erste Bremer Spektrum auch nur mit einer einzigen kleinen Sensation auf: „Finnen wollen den Bremer Weihnachtsmarkt stürmen“. Wieso? — Im Kleingedruckten stehts: „Zwei finnische Reiseveranstalter orderten Hotelplätze für die Adventswochen '92.“

Ase

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