Kaum Aussichten auf Gatt-Abkommen

Auch der Abschluß eines multilateralen Stahlabkommens ist höchst unwahrscheinlich/ Die Fronten zwischen den USA und der EG haben sich trotz Bundeskanzler Kohls Optimismus weiter verhärtet  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Helmut Kohls Ankündigungen haben sich bisher nicht erfüllt. Eine Woche nach des Kanzlers Gatt-Gesprächen mit US-Präsident Bush sind die Verhandlungen über eine Liberalisierung des Welthandels keinen Schritt weiter. Im Gegenteil: zwischen den Hauptkontrahenten EG und USA gibt es zusätzliche Hindernisse.

Und ohne ein Gatt-Abkommen wird es auch kaum eine Vereinbarung über ein multilaterales Stahlabkommen (MSA) geben, das die zum letztenmal vor drei Jahren getroffenen freiwilligen Lieferbeschränkungsvereinbarungen zwischen den USA, den EG-Staaten und einigen südostasiatischen Ländern ersetzen soll. Diese Vereinbarungen laufen am 31. März aus.

Es gebe „keine substantiellen Verhandlungsfortschritte“ im Agrarbereich, teilten EG-Vertreter am Donnerstag abend in Brüssel mit. Zuvor war ein Treffen zwischen EG- Agrarkommissar Mac Sharry und US-Landwirtschaftsminister Madigan am Rande einer Sitzung der OECD-Agrarminister in Paris ohne jede Annäherung der Standpunkte verlaufen. Mac Sharry lehnte bei diesem Treffen den Ende Dezember vorgelegten Kompromißvorschlag von Gatt-Generaldirektor Dunkel, den die USA akzeptiert haben, „in dieser Form“ erneut ab. Vor allem mit Rücksicht auf Frankreich könne die EG die in Dunkels Entwurf vorgesehene mengenmäßige Begrenzung der EG-Agrarexporte nicht akzeptieren.

Bleibe es bei diesem Vorschlag, sei der Abschluß eines Gatt-Vertrages „schwer vorstellbar“, erklärte MacSharry. Der EG-Agrarkommissar bestätigte damit, daß Paris weiterhin der Hauptbremser innerhalb der EG ist. Bonner Regierungsvertreter hingegen hatten im Vorfeld von Kohls US-Reise letzte Woche erklärt, der Kanzler habe Mitterrand zur Kompromißbereitschaft bewegen können.

Die Genfer Verhandlungen der letzten Tage haben ergeben, daß die am Montag dieser Woche bekanntgewordene neue Haltung der USA im Dienstleistungsbereich nicht nur eine verhandlungstaktische Maßnahme ist, sondern eine verhärtete Positon Washingtons und damit ein zusätzliches Hindernis für einen baldigen Gatt-Abschluß bedeutet. Auf Druck der entsprechenden Lobbyverbände will die Bush-Administration solange anderen Staaten den Zugang zum US-Dienstleistungssektor in den vier zentralen Bereichen Luftverkehr, Schiffahrt, Banken-und Finanzverkehr verwehren, wie nicht alle anderen Länder ihren Dienstleistungsbereichmarkt völlig öffnen. Damit würden rund 75 Prozent des gesamten Dienstleistungsbereichs von einem Gatt-Abkommen ausgenommen. Die neue Haltung Washingtons ist nicht nur bei den EG- Staaten, sondern auch — vor allem wegen des Sektors Schiffahrt — bei skandinavischen Ländern sowie Südkorea auf scharfe Kritik gestoßen.

Das angestrebte multilaterale Stahlabkommen soll zu einer weitgehenden Liberalisierung des Stahlhandels führen, vor allem durch einen Abbau aller Zölle innerhalb von zehn Jahren. Direkte Regierungssubventionen an Stahlunternehmen sollen verboten werden mit Ausnahme von Beihilfen für Forschung und Entwicklung, Umweltmaßnahmen, sowie für Sozial-und Umschulungspläne. Für derartige Beihilfen soll es nach Vorstellung der EG keine Obergrenzen geben. Die USA verlangen jedoch eine Beschräkung, in Fällen, wo derartige Hilfen „handelsverzerrende Auswirkungen“ haben.