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„Wir sind keine Missionare“

■ Interview mit Christoph Lanz (32), dem Chefredakteur des neuen Auslandsfernsehens

taz: Die Deutsche Welle hat mit der Übernahme von RIAS TV zwar ein richtiges Fernsehprogramm, Ihr Sender ist damit aber in Deutschland praktisch nicht mehr empfangbar. Empfinden Sie das als Verlust?

Christoph Lanz: Wer meint, es sei ein Verlust, nicht mehr in Berlin emfangbar zu sein, der unterschätzt den Markt, den wir in Zukunft erreichen. Wir machen das Fernsehprogramm ja nicht, um morgens beim Bäcker mit großem Hallo begrüßt zu werden, sondern um möglichst viele Leute zu erreichen und von ihnen verstanden zu werden. Sonst könnten wir ja gleich Pop-Stars werden.

Ist die Einspeisung in Kabelnetze bereits vereinbart?

Es gibt drei Wege für uns: den Direktempfang vom Satelliten, das Re- Broadcasting in den Fernsehprogrammen der anderen Länder — vor allem im ehemaligen Ostblock — und die Einspeisung in Kabelnetze. In Vorbereitung sind Verträge für eine Einspeisung in das Netz des nichtkommerziellen Public Broadcasting Service (PBS) in den USA, das 25 Millionen Haushalte erreicht. Wenn nur ein Prozent davon in der Lage sein sollte, Deutsch zu verstehen, dann wären das 250.000 Haushalte.

Wie muß sich dieses Programm fürs Ausland von dem fürs Inland hauptsächlich unterscheiden?

Wir wenden uns an Leute, die des Deutschen mächtig sind, aber nicht die perfekte Kenntnis des politischen und kulturellen Lebens in Deutschland haben. Deshalb müssen wir mehr erklären, mehr Hintergründe bringen, und können nicht einfach die Nachrichtenlage wiedergeben. Die Schwerpunkte und die Gewichtung von Themen sind unterschiedlich. Da kann ein Kongreß der Wolgadeutschen in der GUS wichtiger sein als die Regierungskrise in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Deutsche Welle soll Deutschland auch nach außen darstellen. Wie sehen Sie ihre Aufgabe in einem Fall wie Hoyerswerda?

Wir werden nicht das Regierungsfernsehen oder die Fremdenverkehrszentrale der Bundesrepublik sein. Wir versuchen die unterschiedlichen Meinungen, die es zu bestimmten Themen gibt, darzustellen. Stichwort Hoyerswerda: Dieses Thema ist für uns sicherlich ein noch wichtigeres als für einen innerdeutschen Sender. Gerade weil hierbei im Ausland ein große Sensibilität vorherrscht. Wer sich angeschaut hat, wie die Amerikaner in ihren Sendungen über aufkommenden Fremdenhaß oder Neonazis berichtet haben, der hat den großen Bedarf an Informationen und Hintergründen bemerkt. Das, was ich im US-Fernsehen gesehen habe, wirkte oft wie ein gut gemachter Fernsehkrimi — aber nicht wie die Realität.

Sie wollen kein Regierungsfernsehen machen — doch der Intendant der Deutschen Welle, Dieter Weirich, ist als ziemlich kerniger Konservativer bekannt.

Er war Bundestagsabgeordneter der CDU und Vorsitzender des Medienausschusses. Er hat seine Gesinnung natürlich nicht abgelegt oder sein Parteibuch abgegeben, nur weil er Intendant der Deutschen Welle geworden ist. Dieter Weirich trennt aber ganz klar zwischen einer Veranstaltung des CDU-Kreisverbandes im Main-Taunus-Kreis und der Aufgabe, ein Fernsehprogramm für das Ausland zu machen. Er nimmt keinen parteipolitischen Einfluß auf das Programm.

Welche Rücksichten müssen Sie auf kulturelle Unterschiede nehmen?

Das ist ein Problem, besonders bei der Ausstrahlung in islamische Länder. Wenn man sich als Bürger im Ausland bewegt — nichts anderes tun wir auf unsere elektronische Weise—, dann sollte man Rücksichten nehmen, Toleranz und Akzeptanz zeigen, solange es nicht ans Eingemachte, ums Prinzipielle geht. Wenn wir ein Programm für das iranische Fernsehen produzieren würden, dann dürften wir vielleicht keine Schweine im Bild zeigen, keine nackten Menschen, brauchten wir vielleicht eine verschleierte Moderatorin. Daran würden wir uns halten. Wir produzieren aber nicht für das iranische Fernsehen, sondern strahlen über Satellit ab und sind in vielen Ländern zu empfangen. Wenn die Iraner das nicht in ihr Programm aufnehmen, dann ist das deren Sache. Wer eine Schüssel hat, der kann das Programm empfangen. Wir können keine extensiven Rücksichten nehmen. Eine weitere Sache sind die Musikvideos, die in den USA in verschiedenen Versionen produziert werden, für den eigenen Markt und weniger zensiert für den europäischen...

Da werden Sie dann aufklärerisch tätig...

Wir können unser Programm ja nicht splitten und werden mitnichten die freizügigeren, europäischen Versionen zeigen. Mit dieser Zurückhaltung vergeben wir uns nichts. Es geht uns nicht um Provokation und Regelverstöße — so definieren wir uns nicht. Wir sind keine Missionare zum Beispiel in Sachen sexuelle Befreiung für die USA. Interview: kotte

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