: 1991 STARBEN IN USA 25.000 MENSCHEN DURCH SCHUSSVERLETZUNGEN
200 Millionen Privatwaffen
Washington (dpa/taz) — In kaum einem anderen Land der westlichen Welt ist Waffenbesitz so verbreitet und ihr Erwerb so einfach wie in den USA. Während ein Jugendlicher in einer Gaststätte erst mit 21 Jahren Alkohol bekommt, reicht für den Kauf einer Waffe in vielen US-Bundesstaaten die Vorlage des Führerscheins und ein Alter von 18 Jahren. Für 30 Dollar kann jeder die Lizenz zum Waffenhandel erwerben.
1991 starben 25.000 Amerikaner durch Schußwaffen. Die Mordrate in USA liegt rund zehnmal höher als in Deutschland oder England, wo Waffenbesitz strengen Einschränkungen unterworfen ist. Fast alle Metropolen der USA überbieten alljährlich ihren traurigen Vorjahres-Mordrekord. Jeden Tag stirbt ein Kind in Amerika durch eine Schußwaffe. Schußverletzungen sind die häufigste Todesursache bei männlichen Teenagern. Die Spirale der Gewalt schraubt sich immer höher. Polizei und Justiz beklagen die nicht mehr einzudämmende Flut von Waffen modernster Art in den Händen von Gangstern und Drogenbanden, und auch für private Auseinandersetzungen wird aufgerüstet. Um wenigstens das Schulgelände von Schießereien freizuhalten, werden Kinder am Eingang mit Metalldetektoren nach Waffen durchsucht.
Das dürfe so nicht weiter gehen, meinen viele Amerikaner. 86 Prozent sind nach einer jüngsten Umfrage für stärkere Überwachung der Waffenverkäufe, 79 Prozent wollen wenigstens Maschinenpistolen für den Privatbesitz verboten sehen.
Ende 1991 wurde das Brady-Gesetz verabschiedet. Es sieht eine landesweite siebentägige Wartefrist beim Erwerb von Schußwaffen vor, damit die Käufer auf Vorstrafen oder Geisteskrankheit überprüft werden können. Das Gesetz ist jedoch noch nicht in Kraft getreten, weil es Teil einer umfassenden Vorlage zur Verbrechensbekämpfung sein soll, dessen Verabschiedung allerdings noch immer aussteht.
Da ist zum Beispiel die Organisation der Waffenbesitzer (National Rifle Association NRA), die laut- und finanzstark gegen jegliche Einschränkung des Waffenbesitzes agiert. „Waffenrecht ist Bürgerrecht“, lautet einer ihrer Slogans. Die NRA hat heute 2,6 Millionen Mitglieder. Eines davon heißt George Bush. Ein großer Teil des 90-Millionen-Dollar-Etats der NRA fließt direkt in die Kassen von Politikern, die ihr Anliegen unterstützen.
Auch die Waffenindustrie fürchtet Einschränkungen. Rund 1.000 Firmen in den USA stellen Schußwaffen her. Ihr Jahresumsatz beträgt umgerechnet rund 1,2 Milliarden Mark. Während in den 50er Jahren noch etwa eine halbe Million Schußwaffen pro Jahr verkauft wurden, waren es in den Neunzigern vier bis fünf Millionen. 200 Millionen Waffen sind derzeit in privaten Händen. Der Markt scheint gesättigt, Aufträge der Armee bleiben aus.
Deswegen sucht die Waffenindustrie nach Angebotslücken. So erfand sie eine besonders kleine Pistole für das Abendtäschchen, die „Saturday Night Special“, und Maschinenpistolen in besonderem Design, zum Beispiel die „Tec 9“, die sich offenbar an einen ganz bestimmten Kundenkreis wendet. Auf der „Tec 9“, so die Firma, hafteten Fingerabdrücke ausgesprochen schlecht.
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