: Expo 2000 mit Öko-Mäntelchen
Für die geplante Weltausstellung in Hannover wurde gestern ein Schmalspurkonzept vorgelegt/ Aus Bonn fließen keine Expo-Milliarden/ Die Öko-Projekte bleiben auf der Strecke ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Der niedersächsische Ministerpräsident mußte starke Worte bemühen: „Nunmehr sind letzte Zweifel beseitigt, daß die Weltausstellung in Hannover stattfinden wird“, sagte Gerhard Schröder gestern in Bonn bei der Vorstellung der „Konzeption Expo 2000“, die der Bund, das Land Niedersachsen und die Stadt Hannover gemeinsam im „Lenkungsausschuß“ für die Weltaustellung erarbeitet haben. Doch die 94seitige Expo-Konzeption wird eher den Weltausstellungsgegnern Argumente liefern. Sie setzen jetzt ganz auf die Bürgerbefragung im Juni in Hannover.
Das Konzeptpapier geht von einer sich selbst finanzierenden, rein kommerziellen Weltausstellung in Hannover aus. Das Land Niedersachsen hat in den sechsmonatigen Konzeptverhandlungen mit dem Bund entscheidende Abstriche an seinen hochfliegenden Plänen zu einer „Weltausstellung neuen Typs“ machen müssen und dafür am Ende doch keine nennenswerten Finanzierungszusagen vom Bund erhalten. Die Expo-Milliarden aus Bonn, mit denen man in Hannover bisher rechnete, blieben aus.
Von Investitionen in Höhe von neun bis elf Milliarden Mark für die Expo war in der Vergangenheit die Rede gewesen. Das jetzige Konzept will für die Weltausstellung nur noch gut die Hälfte dieser Summe ausgeben. 2,2 Milliarden Mark sollen in den Ausbau des hannoverschen Nahverkehrsnetzes fließen, die Vorbereitung der Ausstellung selbst soll noch vier Milliarden kosten. Das Konzept sieht dabei vor, daß sich diese „Weltausstellung im engeren Sinne selbst trägt“. Die vier Milliarden für „Infrastruktur, Bauten, Veranstaltungen und Betrieb“ könnten zu je 40 Prozent aus dem Verkauf der Eintrittskarten und zu weiteren 40 Prozent aus der Vermarktung der Ausstellung, also über Sponsoren, über den Verkauf von Zuliefer- und Werberechten finanziert werden. Die restlichen 20 Prozent der Kosten sollen nach Ende der Ausstellung durch die „Verwertung des Geländes und der Expo-Gebäude“ wieder hereinkommen. Die vier Milliarden Mark sollen fast vollständig durch Verschuldung der Expo-Gesellschaft aufgebracht werden, an der Bund, Land und Stadt im Verhältnis 50 zu 40 zu 10 beteiligt sind.
Am Ende stand stets ein Milliardendefizit
Tatsächlich kommen durch diese Konstruktion einer sich selbst finanzierenden Ausstellung allerdings erhebliche finanzielle Belastungen auf das Land Niedersachsen zu. So kann etwa der grüne Landtagsabgeordnete und Expo-Fachmann seiner Fraktion, Pico Jordan, zu Recht darauf verweisen, daß bisher noch alle Weltausstellungen zunächst „kostendeckend“ geplant worden sind, am Ende aber stets ein Milliardendefizit erbracht haben. Und den Bund hat das Land bisher nicht dazu bewegen können, am Ende für Defizite geradezustehen, heißt es in dem Konzeptionspapier. Dagegen behauptete Gerhard Schröder gestern in Bonn, der Bund sei bereit, die Finanzierung dieses Konzeptes im wesentlichen zu tragen. Für den Ministerpräsidenten war gestern in Bonn die „Beteiligung des Bundes an einem zukunftsweisenden Nahverkehrskonzept für die Region Hannover“ das Wichtigste. Folgt man allerdings der grünen Lesart des Konzeptes, so gilt auch für den Ausbau des Nahverkehrs der Grundsatz: „...und der Bund hat gar nichts dazubezahlt.“ Erwartet hatte die Stadt Hannover einst von der Expo einen generösen Ausbau des U- und S-Bahn-Netzes. Übriggeblieben sind in dem Ausbaukonzept, auf das der Ministerpräsident so stolz ist, eine U- und eine S-Bahn-Linie, die direkt zum Austellungsgelände führen, also nach Ende der Ausstellung weitgehend funktionslos sind. 2,3 Milliarden Mark sollen diese beiden Linien kosten. Drei Viertel dieser Summe sollen aus dem laufenden Haushalt des Bundesverkehrsministers aufgebracht werden, den Rest will das Land übernehmen. Der grüne Abgeordnete Jordan kritisiert dies allerdings als schlichte Umschichtung von Mitteln, die eigentlich in anderen Regionen Niedersachsens zum Ausbau des Nahverkehrs nötig wären. Der Anteil Niedersachsens an dem genannten Finanzierungstopf des Bundesverkehrsministers erhöhe sich nicht. „Fast alle Mittel, die in Niedersachsen für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zur Verfügung stehen, sollen einfach für die Expo gebunden werden“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete. Daß die Öko-Bilanz der Weltausstellung negativ sein wird, haben selbst offizielle Gutachter der Landesregierung längst bestätigt. Dies betrifft den Flächenverbrauch (1.100 ha), den extrem hohen Wasserverbrauch in Hannover zur Ausstellungszeit (5 Prozent über den Entnahmerechten) und die 370.000 zusätzlichen Flüge in die niedersächsische Landeshauptstadt. Um 800.000 Tonnen wird sich der CO2-Ausstoß in der Bundesrepublik allein durch die Anreise der anvisierten 40 Millionen Expo-Besucher erhöhen. Die niedersächsischen Grünen haben denn auch auf ihrem Landesparteitag am Wochenende in Hildesheim die Weltausstellung noch einmal einstimmig abgelehnt. Das Schmalspurkonzept, das gestern in Bonn präsentiert wurde, trägt natürlich weiter den Titel „Mensch — Natur — Technik“. Doch ihm sind gerade jene Vorhaben zum Opfer gefallen, die die Ausstellung den Bürgern Hannovers und ein Stück weit auch den Ökologen schmackhaft machen sollten. Von einem Sonderwohnungsbauprogramm, das etwa SPD und DGB zum Ausgleich von Mietsteigerungen in der Landeshauptstadt gefordert hatten, ist überhaupt nicht mehr die Rede. Vorgesehen war ursprünglich, daß auch Nicht-Regierungs-Organisationen oder Öko-Gruppen vor allem aus der dritten Welt einen Teil der Ausstellung selbständig bestreiten. Die Stadt und die Region Hannover wollten sich im Rahmen der Expo selbst als ökologisch umgebaute „Stadt der Zukunft“ präsentieren. Von alledem sind in dem Schmalspurkonzept zwar noch die Überschriften geblieben, aber es fehlt dafür, wie Pico Jordan sagt, „das finanzielle Unterfutter“. Es seien praktisch keine Mittel mehr dafür vorgesehen. Herausgekommen sei eine ganz traditionelle Weltausstellung, diesmal mit „Öko-Mäntelchen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen