: Brutale Okkupation
■ betr.: "Von begehrter Bückware zur bigotten Mischung" von Jens Brüning, taz vom 24.3.92
betr.: „Von begehrter Bückware zur bigotten Mischung“ von Jens Brüning, taz vom 24.3.92
Ihr Beitrag über die Zeitschrift „Das Magazin“, ist in der Tendenz auf lächerliche Weise verfehlt. Das Ost- West-Zusammenspiel im Fall „Magazin“ ist nicht, wie bei Ihnen dargestellt, die brutale Okkupation einer ehemaligen DDR-Zeitschrift durch West-Chefredakteur und West-Autoren, sondern im Gegenteil der gelungene Versuch einer Zusammenarbeit außerhalb solcher Klischees.
Es ist leicht, jede mühevolle Zusammenarbeit zwischen einer früheren Ost-Redaktion und neuen westlichen Mitarbeitern unter dem mittlerweile zwanghaften Aspekt westlicher Vergewaltigung darzustellen. Chefredakteur Wolf Thieme hätte, wie Sie schreiben, „aus dem Blatt gemacht, was es nun ist“. In der Tat, das Kunststück ist ihm gelungen: Er hat das Heft aus dem erzwungenen Provinzialismus der DDR zu einer gesamtdeutsch lesbaren Zeitschrift geführt.
Thieme hat mit erstaunlicher Geduld und Sensibilität das Experiment gewagt, die frühere Redaktion beizubehalten und zugleich namhafte westdeutsche Autoren in die Arbeit einzubeziehen. Wenn Alice Schwarzer dazu nicht bereit war, konnte es das Blatt verschmerzen: dafür haben Kunert, Gabriele Wohmann, Daniel Cohn-Bendit, Doris Dörrie, Max von der Grün, Henryk Broder, Lothar-Günther Buchheim, Hans Joachim Schädlich, Peter Schneider, wir und viele andere umso lieber für das neue „Magazin“ geschrieben.
Der Verfasser Ihres Beitrages verrät sich durch die Behauptung, das „Magazin“ wäre durch die westlichen Mitarbeiter „verkommen“. Noch spießiger und DDR-Chauvinistischer ließ sich der Versuch eines Neubeginns nicht deuten. Freya Klier, Sabine Kahane, Chaim Noll, W-Berlin
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