: Statt Talks „Volksmasse, die tobt“
Ulrich Meyers neue TV-Konfrontationsshow „Einspruch“ auf Sat.1 ■ Von Marc Fest
Pressetermin bei Sat.1: Unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen vollführt Ulrich Meyer — ehemals Moderator vom Heißen Stuhl bei RTLplus — seine schon legendäre Handbewegung: Wie ein übereifriger Schülerlotse wirft er die geöffnete Rechte immer wieder, 20-, 30mal, ruckartig nach vorne. Dabei starrt Deutschlands Talk-Gladiator Nummer 1 ebenso entschlossen wie gnadenlos in die Objektive — ein Musterbeispiel für jeden Staatsanwalt. Jedesmal, wenn die Hand nach vorne saust, murmelt er lautlos „Einspruch“. Damit die dynamische Geste später auf den Photos auch natürlich wirkt.
Heute abend wird aus der Trockenübung Ernst: Um 21 Uhr 15 entfesselt Ulrich Meyer auf Sat.1 seine neue Live-Show Ulrich Meyer: Einspruch! — eine Art „argumentativer Kampf eines jeden gegen jeden“. Im bedrohlichen Endzeitambiente eines zur Arena umfunktionierten Ostberliner Kesselhauses will der 36jährige RTLplus-Deserteur und Reserveoffizier der Bundeswehr dann nicht etwa eine Talkshow moderieren: „Das Wort ,Talk‘ ist für mich gestrichen.“ Statt dessen verspricht der bekennende Konservative mit dem brav gekämmten Scheitel von nun an jede Woche „Deutschlands härtesten TV-Streit“. Dazu erwartet er auf den Zuschauerrängen „Volksmasse, die tobt“. Die Emotionen sollen noch höher schlagen als beim Heißen Stuhl— und zwar nicht nur der Themen wegen („alles, was uns Deutsche bewegt“).
Hier schlagen sich die „Angeklagten“ nicht mehr mit einer Riege von Journalisten und Experten. Sie treffen auf „ganz normale Durchschnittsbürger, die im Fernsehen sonst niemals zu Wort kommen“. Anders als ein klassischer Moderator will Meyer sich von vornherein ganz auf die Seite der „Schwachen“ schlagen. Gegen die „Verlogenen und Schuldigen“ — „das ist dann eine Art demokratisches Fernsehen“. Ulrich Meyer als Rächer der Enterbten: Wenn ein „Verlogener“ einen der „Schwachen“ rhetorisch zu erdrosseln droht, fliegt seine Hand dazwischen: „Einspruch: Frau Schwaetzer. Schluß mit dem Geschwatze!“ wird er womöglich rufen. Denn die Bauministerin wagt sich zur Jungfernsendung [schließlich arbeitet deren Gatte auch bei Sat.1, d.R.]. Thema: „Wer schützt Deutschlands Mieter?“
Damit die Bösewichte nicht ganz so schlecht dastehen, sollen sie sich danach um die Probleme der Kleinen Leute kümmern, quasi als Happy- End. Doch zuvor sorgen Laserkanonen und Nebelschwaden für explosive Stimmung. Eine „Skymote-Kamera“ soll auf einem 9-Meter- Schwenkarm auch die letzte zornverzerrte Miene in Naheinstellung bannen. Für die Farbeffekte sorgte der Farbenguru Max Lüscher. Der verordnete Lila für den Boden (schafft Bewegung) und „British Racing Green“ für die Stahl-Schranken zwischen den Diskutanten (gibt Halt). In den Warteräumen vor der Sendung blicken die Streithähne auf Rot. „Das macht aggressiv.“
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