: IM CINEMA: „White Zombie“ Die untote Arbeiterklasse
Einen köstlichen und gut abgehangenen Schinken von 1932 dürfen Sie heute oder morgen schlemmen: White Zombie, einer der ersten Zombie-Filme auf Erden, ziert derzeit das laufende Phantastival im Cinema. Victor Walperin drehte das Schauermärchen mit kleinem Etat und großem Können; für die Hauptrolle des Hexenmeisters gewann er Hollywoods ersten Dracula, den Horrorstar Bela Lugosi, der später seinen Depressionen verfiel und am liebsten in einem offenen Sarg schlief.
White Zombie hat sich besser gehalten: ein kalter Würgegriff ums Seelchen, daß es quiekt; in einem fort starke Bilder, die uns einweben, bis mitten im Schmunzeln der Atem knapp wird; und eine ausgefeilte Lakonik des Thrills: Einmal stürzt ein Zombie in die Mühle, und nichts geschieht, die Kamera blickt starr, nur das Mahlwerk knarrt ein wenig lauter.
Die romantische Geschichte ist älter als aller Voodoo-Zauber und handelt von einem, der eine Frau liebt, aber sie ihn nicht; der sie in ein Zombie verwandeln läßt und nichts davon hat; und von einem, der endlich nach Ritterart die Burg stürmt, wo die Prinzessin, in der Gewalt des Magiers, zwischen Tod und Leben geistert.
Aber achten Sie mal auf die Zombies, wiewohl sie hier nur den Rand des Geschehens bevölkern. Das sind noch, anders als ihre verlotterten Nachfahren, wahre Untote: aus den Gräbern gezerrt und ab auf die Plantagen, ab in die Fabriken als billige Arbeitskräfte! Im Film sehen wir, wie seelenlos sie schuften, unter Tage, an der Mühle. Vielleicht ahnen Sie: Das sind die, deren Elend man nur ansehen kann, wenn man sich vormacht, daß sie vorher schon tot waren. Die Zombies sind die Arbeiterklasse des Kinos.
In späteren Jahren ist, wie wir wissen, auch der Zombie ziemlich heruntergekommen; er muß, um uns doch noch Angst einzujagen, herumfuchteln und greuliche Dinge tun; daran sieht man, wie traurig selbst das Unleben ist, wenn man sich, nach dem Ende des Mythos, als zerlumpter Bürgerschreck durchbringen muß. schak
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