: Schweigemarsch für Jorge Gomondai
■ Dresdens Politiker ignorierten den Jahrestag des Mordes an dem Mosambikaner
Dresden (taz) — Über 1.000 EinwohnerInnen Dresdens gedachten am Mittwoch des Mosambikaners Jorge Gomondai, den Rechtsradikale vor einem Jahr umbrachten. Zuerst versammelten sie sich zu einem Gottesdienst in der Kreuzkirche und zogen anschließend auf einem Schweigemarsch durch die Innenstadt bis zu der Stelle, wo der 28jährige Schlachthofarbeiter aus der fahrenden Straßenbahn gestürzt wurde. Dort legten sie Blumen nieder. Der Ausländerrat Dresden und weitere Initiativgruppen hatten zu diesem Gedenkmarsch aufgerufen. Vorwiegend junge, aber auch nicht wenige ältere Leute liefen hinter dem Transparent „Saufen, Fressen — Hoyerswerda schon vergessen?“ Wie im vorigen Jahr, als 3.000 DresdenerInnen nach der Bluttat auf die Straße gingen, ließ sich weder aus dem Rathaus noch aus der Staatskanzlei ein verantwortlicher Politiker unter den DemonstrantInnen blicken.
Bei der Abschlußkundgebung ergriff ein, wie er sich selbst charakterisierte, „sogenannter Chaot“ das Wort. Der Jugendliche forderte die DresdenerInnen auf, nicht in Resignation zu verharren: „Darauf können unsere ausländischen Mitbürger verzichten.“ Statt dessen sollten sie eingreifen, wenn sie ZeugInnen der alltäglichen rassistischen Übergriffe würden. Die Zurückhaltung der Exekutive bei neonazistischen Aufmärschen wie kürzlich in Leipzig gehe konform mit der von Bonn geschürten Flüchtlingsdiskussion. „Die einen sagen: Rückführung von Scheinasylanten; die anderen: Ausländer raus!“ Die Ausländerbeauftragte Marita Schieferdecker-Adolph berichtete über den Stand der Ermittlungen um den Tod Jorge Gomondais. Gegenüber sechs Tatverdächtigen sind die Ermittlungen „aus Beweisnot“ eingestellt worden. Drei Tatverdächtige wurden lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Ein Prozeßtermin steht noch nicht fest.
Zu den befürchteten Krawallen gegen die von einem großen Polizeiaufgebot begleitete Aktion kam es nicht. Rechtsradikale tauchten nicht auf — offenbar wollten sie der Polizei keine Handhabe geben, einen geplanten und ordentlich angemeldeten Aufmarsch zu verbieten. Etwa 1.000 DemonstrantInnen aus ganz Deutschland haben vor, gegen den Freispruch für den Todesschützen ihres Führers Rainer Sonntag zu protestieren. Die Polizei prüft Dresdens Oberbürgermeister Wagner zufolge, „ob Anhaltspunkte für ein Verbot“ gegeben seien. dek
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen