piwik no script img

Wilde Party vor San Diego

■ Beim America's Cup der Segler liegt „Il Moro de Venezia“ aus der Sammlung des Chemie-Millionärs Raul Gardini an der Spitze der Herausforderer/ Titelverteidiger Dennis Conner wird schneller

Berlin (taz) — Beim America's Cup vor San Diego haben die ersten Teams schon die Segel gestrichen. Australier, Russen und Spanier spielen im Kampf um den Pokal, der von den Seglern gerne als „bodenlose Kanne“ bezeichnet wird, keine Rolle mehr. Ihr Millionen Mark teures Bootsmaterial hat, während die anderen noch segeln, nur noch wenig Wert: Die Boote wurden extra für den America's Cup konstruiert, in vier Jahren, bei der nächsten Veranstaltung, werden sie hoffnungslos veraltet sein.

Insgesamt vier Schiffe schafften nach den beiden Round-Robin-Runden zum Auftakt den Sprung in die Zwischenrunde der Herausforderer. Diese Zwischenrunde gleicht einem Königstreffen: Raul Gardini, Italiens Chemiekönig, trifft auf Michael Fay, Neuseelands Bankenkönig. Mit dabei auch das Schiff des französischen „Ville de Paris“-Syndikats und die japanische „Nippon“. Der Favorit in dieser Gruppe ist der Italiener Raul Gardini mit seinem „Il Moro de Venezia“-Syndikat.

Rund 70 Millionen Mark, das ist seine letzte Auskunft, steckte er in sein Hobby. Für das Geld beschäftigt er unter anderem 149 festangestellte Mitarbeiter. Er hatte im vergangenen Jahr den America's Cup in Italien überhaupt erst salonfähig gemacht: Der morbiden Fassade Venedigs verschaffte er neuen Glanz, als er seine beiden ersten Schiffe in der Lagunenstadt taufen ließ. Daß die „gute Show America's Cup“, so spricht er selbst über die Veranstaltung, einen hohen Werbewert hat, weiß er seit langem: Allein hundert Journalisten ließ er zu Taufen einfliegen, die er nach Hollywood-Manier durchzog. Zuerst rauschten die Schiffe wie Luxusliner eine Helling herunter, dann wurden die goldenen Segel über den roten Rümpfen seiner Schiffe gezeigt. Begleitet von mehreren hundert Gondeln driftete das Schiff danach durch die Lagunen.

Aber nicht alles, was Gardini anfaßt, wird so theatralisch inszeniert: Die Arbeitsverträge von Gardini haben es in sich: Grundgehalt, Prämien bei Erfolgen und sofortige Auflösung bei Mißerfolg sind die Prämissen der 20 Seiten starken Unterlage. Dennoch kamen die besten Segler zu Gardini, dabei half ihm eine Koalition der italienischen Yacht-Multis: Gardini holte zuerst seine eigene Crew an Bord der „Moro“, danach bat er seinen Kumpel, den Fiat-Boß Agnelli, um Hilfe: Die Agnelli- Crew stellte den Rumpf als Sparringspartner für „Il Moro“.

Auch bei der Technik verließ sich Gardini auf sein bewährtes Schmiermittel: Geld. Zuerst einmal wurden Anteile an drei großen europäischen Bootsausstattern erworben. Die drei wurden danach von dem argentinischen Konstrukteur German Frers, ebenfalls von Gardini eingekauft, unter einen Hut gebracht. Nur eine Schlacht verlor Gardini im Vorfeld, die um den Iren Harold Cudmore. Cudmore hatte zwar schon als Team- Manager bei Gardini zugesagt, ein besseres Angebot von US-Verteidiger Bill Koch ließ den Freund zum Feind werden. Dafür kam Paul Cayard an Bord. Er hat Gardini mittlerweile kennengelernt: „Das ist ein Kämpfer“, sagt er über seinen Boß. Mit drei Punkten übernahm „Il Moro“ am Donnerstag die Führung im Herausforderer-Halbfinale vor New Zealand und Nippon (je 2).

Bei den Verteidigern macht „Bad Dennis“ Conner mittlerweile an Boden gut: nachdem er zuvor nur abgeschmettert wurde, gewann er mit seiner „Stars and Stripes“ drei Wettfahrten, bis er am Donnerstag gegen die „Kanza“ von Buddy Melges verlor, der nun mit vier Siegen die amerikanische Ausscheidung anführt. „Die Auferstehung von Conner“, so sein Taktiker Tom Whidden, läßt die Begeisterung in den USA wachsen. Denn zuletzt wurde das Segel-Spektakel etwas langweilig, nachdem wochenlang nur die Boote seines Konkurrenten Bill Koch gewonnen hatten. Die Zuschauer bieten mittlerweile einige hundert Dollar für Plätze auf Begleitschiffen, der amerikanische Sportkanal ESPN überträgt jedes Rennen live. „Jetzt geht die Party richtig los“, freut sich Raul Gardini über die Akzeptanz, die die Regatta mittlerweile besitzt.

Und auch in Deutschland soll die Party demnächst losgehen: Matthias Kleinert, Schnell- und Vielschwätzer bei Daimler-Benz, kündigte vor zwei Wochen in der 'Welt‘ den Einstieg seiner Firma bei einem deutschen America's-Cupper für die Regatta in vier Jahren an. Insgesamt 50 Millionen Mark will der Konzern beisteuern. Von seinem Mitarbeiter Bernd Stürzl wurde das schon wieder relativiert. „Das Thema ist auf Vorstandsebene noch nicht einmal diskutiert worden“. -ank-

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen