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JVA Celle: Ohne Konzept und mit vielen Fehlern

■ Kommissionen listen Mängel auf / Gefängnis-Struktur Sicherheitsrisiko

Mängel in der Gefängnis-Architektur, der Verwaltung sowie der Leitung haben zu Sicherheitslükken in der Justivollzugsanstalt (JVA) Celle geführt. Dadurch wurde auch die Geiselnahme durch vier Häftlinge im Oktober 1991 begünstigt. Das geht aus zwei Zwischenberichten hervor, die Justizministerin Heidi Alm- Merk (SPD) in der letzten Woche in Hannover vorstellte. Ein Fünf- Punkte-Plan, den eine unabhängige Expertenkommission der Ministerin überreichte, schlägt zur Verbesserung der Sicherheit vor, als gefährlich geltende Gefangene nicht in einem Gefängis zu konzentrieren.

Den Berichten der unabhängigen sowie einer ministeriellen Expertengruppen zufolge ist die Celler JVA, in der vier als sehr gefährlich geltende Häftlinge drei Justizbedienstete mit selbstgebauten Waffen als Geiseln nehmen und anschließend flüchten konnten, „extrem unübersichtlich“. Außerdem kritisierte der Strafrechtsprofessor Peter-Alexis Albrecht als Leiter der von der Landesregierung eingesetzten Expertenkommission die Konzentration von „hochgefährlichen“ Häftlingen in dem Celler Sicherheitsgefängnis.

Da dort nur Männer mit mindestens achtjährigen Haftstrafen einsäßen, entstehe eine „hoffnungslose Gesamtstimmung“, die ein Risiko darstelle. Gefahren seien auch von den „Kontrollen mehr ritueller Art“ der 220 Insassen der Anstalt ausgegangen. Die Bediensteten der JVA hätten die Kontrollen wegen Überlastung häufig nicht ausführen können. Auch dadurch sei der Sicherheitstrakt Celle I/Ost, in dem zwei der Geiselnehmer einsaßen, „nur scheinbar“ eine Sicherheitsabteilung gewesen.

Dem für die Verwaltung der Gefängnisse zuständigen Justizamt warf Albrecht vor, seiner Aufsichtspflicht nicht „im nötigen Umfang“ nachgekommen zu sein. Beim Ministerium vermißte er ein „grundsätzliches Konzept für die JVA Celle“. Die Ergebnisse der Expertenkommission deckten sich im wesentlichen mit denen der ministeriellen Gruppe.

Durch bauliche Veränderungen und bessere technische Überwachungsanlagen soll das Geschehen in der JVA besser kontrolliert werden können. Außerdem solle die soziale Betreuung der Häftlinge verbessert werden. Dadurch werde auch die Sicherheit erhöht, begründete Albrecht. Eine Reorganisierung von Verwaltung und Anstalt solle ebenfalls dazu beitragen, eine Wiederholung der Geiselnahme zu verhindern.

Alm-Merk betonte, daß sie schon im November 1989 wesentliche Ergebnisse dieser Expertenuntersuchung ihrem Vorgänger Walter Remmers (CDU) mitgeteilt habe. Nach ihrem Amtsantritt 1990 habe sie eine Arbeitsgruppe zur Reform des Strafvollzugs eingesetzt. Allerdings sei diese vom Justizvollzugsamt und vom ehemaligen Leiter der JVA Celle zum Teil behindert worden. Die Ministerin kündigte an, die Expertenberichte sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls in der Verwaltung auch personelle Konsequenzen zu ziehen. dpa

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