: Es gibt keine Ewer mehr!
■ Ein literarisches Denkmal des Dichters Gorch Fock / Über das Ende eines Schiffes
„Sargdunkel die Nacht. Von allen Seiten wälzen sich die Seen über das Deck. Wild hauen die gerefften Segel, wie toll hämmern die Schoten, ängstlich knarren die Gaffeln. Um alles aber rast der Sturm, sausend, stöhnend, heulend, brüllend.“ Auf dem Ewer seines Vaters erlebt Jan Kinau die entfesselte Nordsee. Als Dichter Gorch Fock schreibt er später das hohe Lied von den Finkenwerder Fischern. In seinem Roman „Seefahrt ist not“, setzt er den kühnen Ewer-Fahrern von der Waterkant ein literarisches Denkmal.
Mit dem Untergang seines Romanhelden Klaus Mewes ahnt Gorch Fock das Ende eines Schiffes voraus, das über Jahrhunderte das Bild auf den Flüssen und Küstengewässern Norddeutschlands prägte: des Ewers. Auf den aus Eichenholz gefertigten, zwischen acht und 21 Meter langen und zwei bis sechs Meter breiten, flachgängigen Booten segelten die Kabeljau- und Heringsjäger von Hamburg-Finkenwerder, Cuxhaven oder Itzehoe bis unter die schottische und norwegische Küste. Wagemutige Skipper trauten sich mit Galeaß-Ewern ins Mittelmeer, holten Frachten aus Danzig, Antwerpen und London, boten Windjammer-Kapitänen ihre Lotsendienste an.
Als 1912 der „Seefahrt ist not“-Roman des 32 Jahre alten Gorch Fock erscheint, ist die einstmals 1 100 Schiffe starke Ewerflottille schon dramatisch reduziert. 1928 werden nur noch 130, 1948 ganze 20 der aus Holz gebauten Ewer gezählt. 1957 sichert sich das Deutsche Museum in München den letzten im Original erhaltenen Ewer. Neben ihm ist nur noch ein „Fanö-Ewer“ übriggeblieben, der im dänischen Fischereimuseum in Esbjerg ausgestellt ist. Im Maßstab 1:5 gefertigte Nachbauten eines Pfahl-, Besan- und eines Kutterewers sind im Altonaer Museum in Hamburg zu sehen.
Die charakteristischen Merkmale des Ewers waren sein runder, hochgezogener „Wikingersteven“, der mit weißer Farbe abgesetzte Bugkeil, die breiten Seitenschwerter, der außenbords hängende Anker, bunte Verzierungen und Ornamente an den Ruderköpfen, Spiegelhecks und Ankerklüsen, und bei den seegängigen Schiffen eine zusätzliche Besanbesegelung. Ein breiter Bug, eine richtige Schanz und nach unten gezogene Steven waren die äußeren Kennzeichen der Binnen- Ewer.
Das anfangs für die Binnen- und Flachwasserschiffahrt konstruierte Schiff hatte einen flachen, an beiden Schiffsenden hochgezogenen Boden. Der Ewer war ein schwieriger Seglertyp, der seiner Mannschaft, ihr ganzes Können abverlangte. Dampf- und dieselgetriebene, schnellere Fischdampfer brachten für die Ewer das Ende. Heinrich Heeren / dpa
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