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Tour d'Europe

■ Zwölf Experten für Kids

Am Vorabend der Öffnung der europäischen Binnengrenzen heißt es allgemein, das soziale Europa hinke dem politischen und wirtschafltichen Europa hinterher. Gleichwohl hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaft sich schon 1974 für die Vereinbarkeit von beruflicher und familiärer Verantwortung stark gemacht, davon zeugt ein soziales Aktionsprogramm. 1986 schuf sie das „Kinderbetreuungsnetz“, es setzt sich aus einem Sachverständigen aus jedem Mitgliedsstaat und einem Koordinator (dem Briten Peter Moss) zusammen.

Der Name täuscht: Das Kinderbetreuungsnetz arbeitet nicht etwa praktisch, sondern rein theoretisch. Es analysiert die Lage — d.h. den Mangel an Kinderbetreuungsstätten — in allen europäischen Staaten, diskutiert über die Qualität der Kleinkinderbetreuung, prüft die diesbezügliche Politik der EG und schlägt der Kommission, den Mitgliedsländern und den Sozialpartnern Maßnahmen vor, etwa zum Elternurlaub, zur Umstrukturierung der Arbeitszeiten, zur Harmonisierung der Arbeitszeiten mit den Öffnungszeiten von Kinderkrippen etc. „Trotz linguistischer, kultureller und sonstiger grundlegender Unterschiede zwischen Katalonien und Schottland“ ist es dem Netzwerk gelungen, „zu einer gemeinsamen Perspektive hinsichtlich der Qualität und Qualitätssicherung (der Kinderbetreuung) zu gelangen, was ein gutes Beispiel der europäischen Zusammenarbeit sein dürfte“, lobt der Koordinator die Arbeit seiner Experten.

Das Netzwerk steckt sich hohe Ziele: „Die Zukunft, die uns vorschwebt, ist nämlich keine, in der die Frauen wählen müssen, ob sie mit den Männern nach deren Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren oder ob sie zweitrangigen Beschäftigungen nachgehen, die schlecht bezahlt sind und keine Zukunftsmöglichkeiten bieten. Wir planen vielmehr eine Zukunft, in der die Männer und der Arbeitsmarkt sich ändern, damit für alle ein besserer Ausgleich zwischen Beruf und Familie geschaffen wird.“ Das Netzwerk denkt nicht nur an die Möglichkeiten berufstätiger Frauen mit Kindern, sondern auch an die Aktivitäten nicht berufstätiger Mütter.

Die EG-Wirklichkeit sieht allerdings völlig anders aus, als es sich die zwölf Experten wünschen: In neun EG-Ländern (darunter die BRD) gibt es für maximal sechs Prozent der Kinder unter drei Jahren öffentlich finanzierte Krippenplätze. Lobenswerte Ausnahmen sind Dänemark mit 48Prozent, Frankreich und Belgien mit 20Prozent. Konsequenz: Die Frauen bleiben zu Hause. Oder aber die Großmütter müssen ran — in allen EG-Ländern außer Dänemark und Frankreich betreuen (weibliche) Verwandte mehr Kleinkinder als jeder andere Kinderbetreuungsdienst (Krippe, Tagesmutter).

Ein besserer Ausgleich zwischen Beschäftigung und Familienpflichten für Männer und Frauen, eine befriedigende Organisation des täglichen Lebens kann es nur geben, wenn Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgeber den politischen Willen dazu haben, wenn sie die Forderungen der Familien ernstnehmen, betont das Kinderbetreuungsnetz: „Die Gesellschaft trägt die Verantwortung dafür, daß die Eltern durch die Erziehung der nächsten Generation nicht diskriminiert werden.“ Bettina Kaps

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