PRESS-SCHLAG
: Bertholds Waterloo

■ Der Fußballer Thomas Berthold ist der bajuwarischen Öffentlichkeit derzeit kaum noch vermittelbar

Thomas Berthold hatte, so seltsam sich das anhören mag, Glück, als er sich am Samstag in Stuttgart kurz vor Schluß am Kopf verletzte und ausgewechselt werden durfte. Es was das Beste, was ihm passieren konnte. Denn noch nie Dagewesenes hatte sich davor abgespielt: Ein Fußballer, Berthold, war auf offener Szene ausgelacht worden!

Man schrieb die 49.Minute, als sich der Millionenmann aus Rom erstmals im Trab die Seitenlinie entlang bewegte und dann bemerkenswert hoch wie weit hinter das Tor der Stuttgarter Kickers flankte. Vier Minuten später köpfte er den Ball so präzise in den Lauf von Kickers-Stürmer Karel Kula, daß der ohne Mühe ins Tor traf. In der Folge wurde dann gelacht, als sich Berthold erfolglos bemühte, die Lederkugel zu kontrollieren. Dann lief sich sogar der eigentlich längst als nicht mehr bundesligatauglich geltende Hansi Pflüger warm! Und Thomas Berthold, der Unnahbare, der Kühle, den das Publikum eigentlich wenig interessiert, ging unter „Berthold raus“-Rufen aus der Bayernkurve k.o. und wurde vom Platz geführt.

Ob das nun eine Szene von Symbolkraft war, ist nicht sicher, aber auch nicht auszuschließen, auch wenn die guten Menschen von der Säbener Straße hernach ihr Bestes daherredeten, um den Vorfall zu normalisieren. Erich Ribbeck vermutet gleich mal, daß hinter dem Ganzen böse Menschen steckten, die ein Opfer suchten. „Sie wollen jetzt sicherlich von mir hören, daß Berthold zwei große Fehler gemacht hat.“ Habe er auch, aber bis dahin sei er „sehr zufrieden“ gewesen. Doch der ehrliche Ribbeck verfing sich mehr und mehr im Gedankengestrüpp, sprach davon, daß er seine Aufgabe erfüllt habe, „ähnlich wie in der Nationalmannschaft. Auch da hat er schon mal schlechtere Spiele gemacht.“ Und verriet sich vollends, als er rügte: „Es ist immer leicht, auf die Schwachen einzuprügeln.“

Armer Thomas Berthold! Soweit ist es gekommen. Die Fans hatten schon seine Ankunft eher miß- als beifällig aufgenommen. Verbürgte Superbayern schworen, nie ins Stadion zu gehen, solange der Coolman ein Bayerntrikot trage. Und an den Stammtischen haben sie längst mitbekommen, daß Berthold sein letztes gutes Spiel bei der WM in Mexiko gemacht haben muß. Inzwischen fragt man sich ernsthaft, ob der einst als neuer Beckenbauer Apostrophierte nur ein genialer Fälscher war, dem es gelang, die Öffentlichkeit und sogar den obersten deutschen Fußballfeldherren und Kaiser über sein wahres, i.e. nicht oder spärlich vorhandenes fußballerisches Können zu täuschen.

In der Mannschaft jedenfalls findet der Geschäftsmann eher geringe Resonanz, sein Image war dem Großverdiener kein unbezahltes Extralächeln wert, und das wirkt sich zu seinen Ungunsten aus. Selbst die Fans wünschen den rationellen Berthold, von dem sie vermuten, daß er nach einem bestimmten Aufwand und einer festgelegten Anzahl von Zweikämpfen Feierabend macht, zum Teufel.

Einen Freund hat der gerade erst 27jährige aber noch: Erich Ribbeck, der das Ganze, wie so vieles, für ein Verkaufsproblem zu halten scheint. „Ich nehm' den Kampf auf“, rief er den Pressemenschen zu, die, so argwöhnt er, den Fall Berthold nun möglichst schnell und grell abschließen wollen, „die Zukunft wird zeigen, wer recht hat.“ Doch wenn Ribbeck schließlich merken sollte, daß das Produkt Berthold nun beim besten Willen nicht mehr zu verkaufen ist, wird seine Geduld ähnlich der von Opel mit dem Manta einmal zu Ende sein. Und die Karriere des Fußballers Thomas Berthold dann möglicherweise auch. Peter Unfried