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Coffee before I die

■ Josef von Sternbergs »The Devil Is A Woman« mit Marlene Dietrich

Das Kino Eiszeit bietet eine Ausgrabung an: The Devil Is A Woman, Regie: Josef von Sternberg, Hauptdarstellerin Marlene Dietrich. Eine Ausgrabung? Der Titel klingt eigentümlich vertraut. Ein Blick in einen kleinen, sorgfältig gemachten Band über Marlene Dietrich hilft nicht weiter. Hier und in anderen Nachschlagewerken wird der 1935 gedrehte Film zwar erwähnt, aber niemand schreibt über ihn. Was nur heißen kann: Niemand hat ihn gesehen.

The Devil Is A Woman — tatsächlich ein einprägsamer, aber leider auch völlig unpassender Titel — ist die letzte Zusammenarbeit von Regisseur Sternberg und »seinem« Star. Und um noch einmal zu zeigen, welche Fähigkeiten in ihm stecken, übernahm es Sternberg, Regie zu führen, zugleich das Buch zu schreiben und als Kameramann zu fungieren. Mit dem Buch hatte er wohl die geringste Mühe: er griff auf eine Romanvorlage zurück. Im übrigen spielt die Geschichte eine ziemlich untergeordnete Rolle.

Es ist Carneval in Sevilla: Eine Frau, mal scheint sie Tänzerin zu sein, mal Arbeiterin in einer Zigarettenfabrik, macht sich die Männer hörig. Von weiter Ferne läßt »Carmen« als Motiv grüßen. Ein nicht mehr ganz junger Mann ist ihr verfallen, ein hoher Offizier. Er läßt sich von ihr an der Nase herumführen, von ihr demütigen. Sie macht ihn zu ihrem Hampelmann.

Diese Geschichte ist allerdings nur ein Vorwand für Regisseur und Hauptdarstellerin. Das Spanien, das sie zeigen, zeigt kaum Spuren des wirklichen Spanien, was nicht weiter stört, denn man erwartet ja auch nicht, im Shanghai Express detailgetreue Aufnahmen chinesischer Bahnhöfe zu sehen. The Devil Is A Woman ist vielmehr ein Film über Begierde und Macht. Auf der einen Seite der schmucke Herr, der schneidige Offizier, in dessen Inneren sich eine masochistische Seele verbirgt, und ihm gegenüber eine schwache Frau, die ihre Unabhängigkeit, ihre explizit sexuelle Unabhängigkeit, zur Erringung von Macht einsetzt. Und, was allerdings nur angedeutet wird, zur Befriedigung ihrer Begierde.

Das ist aber noch nicht alles. Denn obwohl Sternberg an der psychologischen Absicherung seiner Figuren kaum Interesse zeigt, bleiben sie keineswegs eindimensional. Marlene Dietrich gibt sich wenig Mühe, wie eine feurige Spanierin auszusehen oder zu handeln. Sie ist auch in den Schwarzweißbildern des Films erkennbar blond und blauäugig, trägt ihre »spanischen« Kleider und Hüte wie das, was sie sind: exquisite Entwürfe von Modellschneidern. Auch wenn es im Film Caballeros sind, die ihre Hüte auf die Bühne werfen: die wunderbare Gesangsnummer Three Sweethearts Have I trägt sie vor, als säßen Verehrer aus Las Vegas im Publikum. Dennoch, oder vielleicht auch deshalb, überzeugt Marlene Dietrich. Sie spielt ihre Rolle so, daß der Zuschauer sieht, daß sie spielt. Sich leicht in den Hüften wiegend steht sie mit dem Gesicht zur Kamera. Hinter ihr der Geliebte. Er bittet, sie bleibt hart. Er fleht, sie verweigert sich. Er wird wütend, sie bleibt kühl. In dem Moment, in dem er aufgibt, dreht sie sich plötzlich um und schlingt ihre Arme um seinen Hals. Am Ende siegt die mitfühlende Liebe über die Lust — wohl nicht nur wishful thinking des Regisseurs, der seinen geliebten Star nicht loslassen wollte. Selbst diese Rolle nehmen wir ihr ab, denn auch jetzt ist sie schön und geheimnisvoll.

Wenn der Film damals, 1935, ein Flop wurde und bald aus den Kinos herausgenommen wurde, so lag das wohl nicht an den Protesten der spanischen Regierung gegen die Darstellung des Landes, sondern eher an den ungeschickten Rückblenden — Technik, mit der Sternberg die Geschichte erzählt. Zu viel geschieht in der Vergangenheit, zu lange dauert es, bis die Vorgeschichte dem Heute Platz macht. Heute: man schaut darüber hinweg und bewundert statt dessen Sternbergs Verhüllungen: Er benutzt Fischernetze, Umhänge, Fächer und durchlöcherte Masken, um Marlene Dietrichs Hände, ihr Gesicht, ihr Dekolleté, zu bedecken. Indem er ihre Blöße verhüllt, enthüllt er sie. Nur durch einen Schleier läßt uns die Kamera die Heldin sehen. Wenn Sternberg keine Gitterstäbe findet, keine Körbe, Paravents oder Vorhänge, durch die hindurch er filmen kann, dann umhüllt er ihre Gestalt mit Rauch oder läßt den Regen niederrauschen. Eine Apotheose der Schatten und des Schwarzweißfilmes. Und des kühlen Witzes von Marlene Dietrich. Liebhaber: I kill you for that. Sie: Ah yes, but I should like to have some coffee before I die. Maximilian Preisler

Der Film läuft ab 9. April im Original im Kino Eiszeit, Zeughofstraße 20, Kreuzberg 36.

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