piwik no script img

DURCHS DRÖHNLANDWärmende Erinnerungen an picklige Kindertage

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der nächsten Woche

Die Schweden sind schon ein ulkiges Völkchen. In geradezu stoischer Einfalt reproduziert der dortige Underground schon seit Jahrzehnten die anglo-amerikanischen Vorbilder. Und das mit solcher Vehemenz und Detailtreue, daß eine hiesige Fangemeinde seit Jahren verzweifelt auf ein neues Lebenszeichen der Sixties- Hardrocker The Nomads wartet. Die Full Metal Jacketz stehen etwas mehr im Hier und Jetzt, sind allerdings immer noch Lichtjahre von demselben entfernt. FMJ machen einen Lärm, der zwar eindeutig auf die hektische Grundlage des Rockabilly zurückgeht, aber mit derart heftigen Gitarren vorgetragen wird, daß auch Surfpunk nicht weit ist. Bei schätzungsweise jedem vierten Stück nehmen sie das Tempo etwas zurück und zelebrieren ein wundervoll schweres Metalriff. Was wieder nur zeigt, daß die Ramones und AC/DC nie so weit voneinander entfernt waren. Bei den sonstigen Erfahrungen mit skandinavischen Bands ist zu erwarten, daß die FMJ für einen guten Partyabend bürgen. Im Vorprogramm werden die Cosmic Comic Connection Cowboys aus Dresden ihren manchmal betulichen, aber immer hübsch daherflirrenden Dark Rock zum Besten geben. Manchmal bringen sie auch etwas mehr, als man vom deutschen Untergrund erwarten kann.

10.4., 21 h, Wasserturm Kreuzberg, Kopischstr. 7

Das Ex ist in der Stadt vor allem als puristischer Tempel des Hardcore berühmt bzw. berüchtigt — je nach Standpunkt. Wenn dann noch eine Band aus dem Baskenland, in eingeweihten Kreisen auch Euskadi genannt, spielt, scheint der Abend in geordneten Bahnen zu verlaufen. Denn auch die baskischen Bands sind für ihre politisch korrekte Einstellung zum Punk bekannt. Bei Potato verhält sich der Fall aber doch anders. Ihr Auftritt im Ex markiert eine zarte Kehrtwende und einen zögerlichen Versuch, ein größeres Publikum zu finden. Potato spielen Ska, allerdings nicht die moderne, punkige Variante, wie man sie von den 2Tone-Nachfolgern kennt, sondern eine an die Originale aus den Sechzigern angelehnte, sanftere Version, in der die Bläser noch dominieren, die Gitarre nur fragil zerrt und der Rhythmus leise dümpelt. Potato sind allerdings wesentlich näher am Soul als an der verkifften Trantütigkeit des Siebziger Reggae, auch wenn sie das Hanfplänzchen im Logo führen. Im Vorprogramm dann noch Berlins liebstes Chaotentrio PNATCH, die inzwischen bekanntermaßen auch einen Off-Beat länger als vier Takte halten können.

Am 10.4. um 22 Uhr im Ex, Gneisenaustraße 2a, Kreuzberg

Böse Menschen haben keine Lieder. In den Lokus mit der ganzen Runenscheiße. Zum »Ska & Reggae Osterfestival gegen Rassismus« versammelt sich einiges aus der obersten Liga des deutschen Skas. Da wären einmal Messer Banzani aus Leipzig und Mother's Pride aus Berlin, die dem Off-Beat mit den Bläsern die nötigen Tritte und Geschwindigkeit geben. 2Tone garanteed. Ebenfalls aus Berlin die Dread Youth feat. Papa T., meines Wissens die einzige Dancehall-Reggae-Formation der Stadt. Und nicht zu vergessen — denn was wäre ein zünftiger Ska-Abend ohne ein Sound System? — das SHARP-Connexion Sound-System aus Lübeck. Für die Unwissenden: SHARP steht für »Skinheads Against Racial Prejudice« (und jetzt schnell den Langenscheidt gezückt). Das Festival geht in den nächsten Tagen noch nach Hamburg, Braunschweig und Erlangen.

Am 10.4. ab 19 Uhr in der Alten TU-Mensa, Hardenbergstraße 34, Charlottenburg

Junge Menschen haben einen Hang zur Romantik. Bei jungen Männern driftet dieser gerne in den Kitsch ab — was ja erstmal nichts Schlechtes ist. Zumindest dann, wenn man wie die Fourteen Iced Bears ganz in die Niederungen absinkt, wo sich die gebrochenen Herzen stapeln. Solange das Bemühen um Authenzität nicht zu aufdringlich wird und stattdessen die Liebe zur hoffnungsvollen Melancholie dominiert, sind die Herren aus Brighton eine nette Ergänzung zum Soundtrack verregneter Tage. Von ihren Cousins wie Ride unterscheidet sie hauptsächlich eine größere Weite im Sound, die Gitarrenwände der 14 Iced Bears türmen sich da wesentlich fragiler auf.

Am 11.4. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Wer entweder zu jung oder räumlich zu weit entfernt von Punk und der anschließenden New Wave war, für den war oft Fischer Z die erste Begegnung der fremden Art. Dafür wanderten dann die Little Feat-Platten zum kleinen Bruder und wir hörten Marliese und Cruise Missiles im Skilager bis zum Abwinken. Im nächsten Sommer hatten dann sogar wir die Ramones und Blondie entdeckt und im Ramsch Pistols und Clash erworben. Was nicht heißen soll, daß Fischer Z irgendwie schlecht waren. Immerhin waren sie so eigen, daß ich sie sogar vor circa zwei Jahren wiedererkannte, als dieser seltsam saftlose Song durch die Radios geisterte. Den Titel hab ich vergessen, inzwischen sollen Fischer Z angeblich mehr Folk sein, aber egal, denn die hochschmerzende Stimme von John Watts weckt vorwiegend wärmende Erinnerungen an die glücklichen Zeiten pickliger Jugend.

Am 13.4. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

Die Monks of Doom waren seit 1986 ein Nebenprojekt der drei Camper van Beethoven-Mitglieder Victor Krummenacher, Greg Lisher und Chris Pedersen. Nach dem Split von Camper und vervollständigt durch David Immergluck (früher bei Ophelia) ist Meridian die erste richtige LP der Monks. Das Fehlen des Camper- Masterminds David Lowery ist deutlich zu spüren, denn im Gegensatz zu den folkigen Tönen von Camper van Beethoven bauen die Monks mehr auf Elektrizität. Auch der krude Humor von Camper ist nur noch teilweise vorhanden. Auch verständlich, wenn man hauptsächlich zähen Siebziger-Rock spielt. Wer jetzt allerdings, vielleicht auch nahegelgt durch das Wörtchen »Doom«, schweren Metal erwartet, liegt völlig falsch. So weit haben sie sich denn doch nicht von ihren Wurzeln entfernt. Ihr Metal will keiner sein und klingt auch nur selten wirklich danach, weil er viel zu filigran und artifiziell ist, und weil die Monks of Doom auch den einen oder anderen — schon bei Camper van Beethoven beliebten — Gimmick einbauen. Da klingeln die Glöckchen und die klassischen Folkharmonien dominieren zwar nicht, sind aber auch nicht weit. Und wer kann sich vorstellen, daß da auch noch das eine oder andere Funkriff reinpaßt?

Am 11.4. um 20 Uhr im Huxley's Junior, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

In Zeiten, als es noch etwas galt, cool zu sein, wären die Beat Godivas sicherlich nicht weiter aufgefallen. Heute schon, mit ihren Sonnenbrillen. Die Berliner sind so unspektakulär unmodern, spielen ihren countrylastigen Sixties-Rock so ohne jede Tendenz zur dekadenüblichen Psychedelia, daß man ihnen noch nicht mal Retrorockertum vorhalten könnte. Auch die Mundharmonika läßt einen kaum noch an nächtliches Cruisen auf der Mainstreet denken. Musik aus einer Zeit, als Rock'n‘Roll noch was mit Fischflossenautos zu tun hatte.

Am 12.4. um 21 Uhr in der Stern-Bar, Hohenfriedbergstraße 17, Schöneberg

Was kann man von einer Band erwarten, deren Platte mit den folgenden Zeilen beginnt: »I'm travelling hard to get back home/ It's a long way from where I'm going«. Drivin'n‘Cryin kommen aus Atlanta, Georgia, das spätestens seit R.E.M. einen festen Platz in der amerikanischen Rockgeschichte hat. Drivin'n‘Cryin stehen allerdings voll in der Tradition der stumpfen Southern Rocker Georgia Satellites und haben bewußte Platte von einem gewissen Geoff Workman produzieren lassen. Wer das ist? Der saß schon für Queen, Journey und Mötley Crüe an den Reglern. Was soll man da schon erwarten? (Dies nur als Warnung vor der zitty-Empfehlung, ansonsten den Mantel des Schweigens.)

Am 12.4. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Melodiecore ist ja inzwischen auch nicht mehr gerade das Ding von übermorgen, aber immerhin sind Samiam (sprich: Sam I Am) nicht nur hervorstechende Vertreter des Genres, sondern zudem amerikanische Punkrock-Legenden. Nicht so schnell wie Bad Religion, aber auch kein Metal. Und das was gestern gut war, muß heute ja nicht schlechter sein.

Am 11.4. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Von den Berlinern SISC gab's kein Foto im Info, nur zwei nette Comic-Bildchen. Ansonsten wird klar, daß sie sich selbst nicht allzu ernst nehmen (sehr positiv!) und nach einigen Geburtswehen zur Selbstdefinition »New Wave« durchringen, den sie dann auch wie eine Karikatur spielen (überaus lobenswert und überhaupt die einzige moderne Möglichkeit an diese Musik heranzukommen). Dabei haben SISC einen nicht zu übersehenden Hang zur dramatischen Pose des Dark Rock wie zu allem irgendwie Außerirdischen. Der Trailer von Star Trek (und William Gibson sowieso) haben es ihnen angetan, da spielen sie dann plötzlich Off-Beat. Wirklich obskur, aber vor allem stelle man sich vor, daß diese Clowns im Vorprogramm von, sagen wir mal, den Sisters of Mercy spielen würden. Andrew Eldritch würden endlich die Augen geöffnet werden über seine eigene Lächerlichkeit. Nicht, daß ich die Sisters nicht immer noch mag, hatte schon immer eine Schwäche für Poser. Aber so ein vorzüglicher Gedanke, das. Übrigens auch eine durchaus gute Band, das. SISC meine ich. Danke gleichfalls.

Am 16.4. um 21 Uhr im Wasserturm Kreuzberg Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen