: Hürdenlauf nach Barcelona
■ Die Sprinterinnen Krabbe, Breuer und Möller sind nach ihrem Freispruch im Dopingverfahren auch international vorläufig startberechtigt/ Endgültige Entscheidung vermutlich Ende Mai
Hamburg/London (dpa/taz) — Die drei Neubrandenburger Sprinterinnen Katrin Krabbe, Grit Breuer und Silke Möller haben vorläufig auch international freie Bahn. Doch der Hürdenlauf zur endgültigen Rehabilitierung des unter Manipulationsverdacht geratenen Athletinnen- Trios ist noch nicht beendet. Diese Nachrichten brachte Prof. August Kirsch gestern aus dem Londoner Hauptquartier des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) mit. „Die Suspendierung ist von der IAAF nie übernommen worden. Damit sind sie auch international startberechtigt. Doch für die IAAF beginnt der Fall Krabbe erst jetzt“, erklärte der Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) nach Gesprächen mit IAAF- Präsident Primo Nebiolo und Generalsekretär Istvan Gyulai.
Gyulai erklärte, daß der Anti-Doping-Kampf durch das Urteil des DLV-Rechtsausschusses einen „herben Schlag“ bekommen habe, nachdem beim Fall Ben Johnson einige Punkte gewonnen worden seien, und fordert nun vom deutschen Verband schnellstens einen umfassenden Bericht, der als Kernstück die schriftliche Begründung des Freispruchs haben wird. Dieser Bericht wird zuerst von der Medizinischen Kommission der IAAF geprüft werden, die dann eine Entscheidung für die IAAF-Council-Tagung vom 29. bis 31.Mai in Toronto vorbereitet. „In Kanada entscheidet das Council entweder, daß es nichts machen wird oder das IAAF- Schiedsgericht anruft“, berichtete Kirsch und fügte an: „Ich habe auch in meiner Funktion als Vize-Präsident des Nationalen Olympischen Komitees deutlich gemacht, daß wir unter Zeitdruck stehen.“
Ob Krabbe und Co. rechtzeitig vor Beginn der Olympischen Spiele in Barcelona am 25.Juli jedoch alle IAAF-Instanzen passieren können, hängt nicht zuletzt vom DLV- Rechtsausschuß und seinem Vorsitzenden Günter Emig ab, der die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht fertiggestellt hat. „Dies ist eine Ungeheuerlichkeit. Ich weiß nicht, was sich Herr Emig dabei denkt. Er muß sich jedoch im klaren sein, daß der Fall dadurch verzögert wird“, schimpfte Kirsch. Emig selbst sagte zu dieser Kritik: „Der Rechtsausschuß läßt sich nicht unter Druck setzen.“
Harte Vorwürfe erhob auch die Aktivensprecherin im DLV, Gabi Lesch, gegen Emig, den sie zum Rücktritt aufforderte. Sein „verheerendes Urteil“ im Krabbe-Prozeß sei ein „gemeiner Schlag ins Gesicht“ eines jeden Sportlers und Funktionärs, der es „mit einem sauberen Sport wirklich ernstgemeint hat“. Nach dem Darmstädter Urteil genüge es offenbar, „einen cleveren Anwalt bezahlen zu können, der einen mysteriösen Unbekannten konstruiert, mit dem das eigene Fehlverhalten verschleiert wird“.
Die deutsche Wirtschaft wird von Gabi Lesch aufgefordert, Ultraschallgeräte für die Dopingbekämpfung zu finanzieren. Damit sei eine entscheidende Lücke im Kontrollsystem zu beseitigen, weil mit diesen Geräten sogenannte Vagina-Packs zu orten seien. Ihr sei bekannt, so berichtet die diplomierte Humanbiologin, daß Athletinnen in der ehemaligen DDR das „fachgerechte Öffnen von Vagina-Packs systematisch geübt“ hätten.
Licht brachte der Doping-Experte Manfred Donike in die Affäre um die Probensiegel, die Krabbe-Anwalt Dr. Reinhard Rauball während der Verhandlung vor dem DLV-Rechtsausschuß präsentiert hatte. Sie stammen nach Aussage Donikes vom Niederländischen Zentrum für Doping-Kontrollen (NECEDO). Drei Tage nach Bekanntwerden der Affäre und zwei Tage nach Öffnung der B-Proben im Institut von Donike wurden offiziell 1.000 Versandtaschen und Siegel durch das Niederländische Doping-Institut NECEDO beim Hersteller Anvopak in England bestellt. Am 17.Februar wurde ein Umtausch veranlaßt: die gelieferten Siegel hätten nicht das gewünschte schwarze Anvopak-Logo, sondern ein weißes. Donike: „Es handelt sich bei dem Zentrum um eine autorisierte Stelle, die die Siegel weitergegeben hat.“
Unterdessen wurden bei den bulgarischen Kunstturnerinnen Milena Mavrodieva (20), 1990 EM-Dritte am Boden, Maya Christova (15) und Mirela Peneva (14) bei einer Routinekontrolle in Sofia Spuren von Diuretika bei der A-Probe festgestellt. Die Einnahme dieser Substanz trägt zur raschen Gewichtsabnahme bei. Ob die drei schon Kontakt mit Dr. Rauball aufgenommen haben, ist nicht bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen