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Ausgebrannte Teufel

■ Kaiserslauterns Meisterkicker gaben sich gegen Leverkusen völlig auf und verloren satt mit 0:3

Leverkusen (taz) — Am Ende war Reinhard Stumpf. Während der Lauterer Manndecker vor dem vereinseigenen Mannschaftsbus stehend genußvoll in eine Banane biß, resümierte er nebenbei die eben verstrichenen anderthalb Stunden Bundesligafußball zwischen seiner Mannschaft und Leverkusen.

Zum eigenen Spiel habe man nicht gefunden, weil die Akteure im Mittelfeld überhaupt nicht zum Zuge gekommen seien. Frage: „Lag das nicht auch an der konsequenten Abwehrleistung der Leverkusener?“ Stumpf (etwas redundant): „Ja klar, aber wir haben im Mittelfeld nicht zu unserem Spiel gefunden.“ Und schließlich habe man ja auch Glück gehabt, daß Leverkusen nicht auch noch ein viertes oder fünftes Tor geschossen habe. Stumpf (im Fußballerkonjunktiv): „Wenn der Andreas Thom da das eine Ding noch reinmacht, dann ...“

Das „eine Ding da“, das Reinhard Stumpf aufgrund einer Verletzung nurmehr von der Bank hatte miterleben müssen, war eine Aktion des erneut überragenden Leverkusener Angreifers in der 67. Minute. Andreas Thom erlief sich einen risikovoll geschossenen Querpaß von Lauterns Marco Haber, sprintete mit seinen kurzen, dennoch nie kraftstrotzend wirkenden Trommelschritten auf das Tor von Gerald Ehrmann zu, drehte den Kopf noch zweimal zurück — niemand , der ihn verfolgte. Als Thom dann lächelnd den Blick wieder nach vorne richtete, hatte ihm Ehrmann den Ball ihm Hechtsprung bereits weggespitzelt.

Zu diesem Zeitpunkt jedoch war ein Spiel ohnehin entschieden, das nach gut einer halben Stunde eigentlich nur noch einen Sieger haben konnte. Fünfzehn Minuten nach dem Anpfiff lag Leverkusen durch Tore von Andrzej Buncol und Andreas Thom bereits mit 2:0 vorn, als die Meister aus der Pfalz endlich, aber nur ein kleines Bißchen, ins Spiel kamen. Und diese Bereitschaft, mitzutun, sie dauerte keine zehn Minuten an. Vor allem lag dies an der bereits von Manndecker Stumpf konzedierten Abwehrstärke der Leverkusener.

Die Spieler des FCK, insbesondere das nicht zum Zuge gekommene Mittelfeld mit Guido Hoffmann, Uwe Scherr, Bjärne Goldbaek und Marco Haber, wurden mit einer in der Liga selten zu sehenden Konsequenz zugedeckt, bekamen keine Bälle, weil sie zudem die Zweikämpfe verloren und sich einfach auch zuwenig bewegten — mit Folgen: Stefan Kuntz — keine Torchance. Demir Hotić — keine Torchance. Der Rest waren Bälle von irgendwem und irgendwoher, die das Tor zumeist um mehrere Meter verfehlten.

Erstaunlich ist das alles, wenn man bedenkt, daß Leverkusen am vergangenen Dienstag erst das Pokalhalbfinale in Mönchengladbach zu spielen — und es verloren hatte. Dabei mußten sie nicht nur über 120 Minuten gehen, sondern auch noch ein Elfmeterschießen durchstehen, während die Pfälzer genüßlich ein „Schöppsche“ Rebensaft vor dem heimischen Puschenkino schlucken konnten. Addiert man noch eines der Kardinalprobleme der Leverkusener Elf hinzu, nämlich Spiele zu verlieren, wenn man im Bewußtsein, die bessere Mannschaft zu haben, ganze Halbzeiten verschläft, dann gerät dieser Sieg über den amtierenden deutschen Meister zu einer wirklich außergewöhnlichen Mannschaftsleistung.

Neben Andreas Thom glänzten die beiden anderen Spieler, die der anwesende Hans-Hubert Vogts in den Nationalkader berufen hatte: Den Kämpfer Ulf Kirsten sehen viele bereits als Nachfolger von Rudi Völler. Christian Wörns, der Neuberufene, spielte einen souveränen rechten Manndecker und deklassierte wahlweise Demir Hotić oder Stefan Kuntz. Für den letzteren wird mit solchen Spielen die Teilnahme an der EM in Schweden immer unwahrscheinlicher. Daß er zudem nicht so richtig wußte, woran es denn so lag, daß er und die Seinen in Leverkusen untergingen („Es läuft halt im Moment nicht so“), wird der lebensbejahende und nie um eine Aussage verlegene H.H. Vogts ungern gehört haben.

Einen weiteren, noch stilleren Abgang erlebten die 15.000 Zuschauer im Ulrich-Haberland-Stadion dann mit dem Schlußpfiff. Der berühmteste Sohn der Stadt Leimen nach Boris Becker, Schiedsrichter Manfred Neuner, pfiff letztmalig ein Bundesligaspiel ab. Bei seinem stillen Abschied aus der Liga war er allerdings mindestens so aufgeregt wie bei seinem ersten Pfiff: Er beendete das Spiel zehn Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit. Thomas Lötz

Leverkusen: Vollborn — Lupescu — Wörns, Kree — Fischer, Jorginho, Buncol (83.), Nehl, Happe — Thom (83. Herrlich), Kirsten.

1. FC Kaiserslautern: Ehrmann — Funkel — Stumpf (46. Witeczek), Lutz — Scherr (79. Degen), Schäfer, Goldbaek, Hotic, Haber, Hoffmann — Kuntz.

Zuschauer: 15.000

Tore: 1:0 Buncol (4.), 2:0 Thom (14.), 3:0 Kirsten (55.).

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