piwik no script img

Erstes Ökodorf für Parlamentarier

■ Fahrland will ökologisch orientiertes »leistungsstarkes Kleinzentrum« anstelle öder Schlafstatt bauen

Fahrland. Ehrgeizige Pläne im Dörfchen Fahrland: Wohnungsbau im großen Stil soll zwischen Potsdam und Berlin stattfinden, der sich mit der Sozialstruktur der Gemeinde verträgt und dazu noch ökologisch orientiert ist. Auf insgesamt 8.000 Einwohner möchte die kleine Gemeinde mit bislang 1.200 Bürgern wachsen und so Landespolitikern, Bonn-Emigranten und Menschen aus dem Umland gleichermaßen Platz bieten.

Die »Fehler von Ballungsräumen, wie im westlichen Teil Deutschlands geschehen«, sollen in Fahrland aber »vermieden werden«, so Bürgermeister Claus Wartenberg. Zunächst einmal wird sein Ort voraussichtlich Sitz der zu gründenden Amtsgemeinde aus Ütz-Paaren, Marquardt, Satzkorn, Neu-Fahrland, Seeburg und eben Fahrland, dann kann weitergedacht werden: Ein »leistungsfähiges Kleinzentrum im Norden Potsdams« soll entstehen, Pläne für die rund 125 Hektar liegen bereits vor.

»Wir erwarten, daß der Bebauungsplan problemlos und ohne große Widersprüche verabschiedet werden kann«, zeigt sich Hermann Laistner vom beauftragten Westberliner Ingenieurbüro optimistisch. Der Schwabe meint, das »die ersten Häuslebauer schon im Sommer« beginnen können.

Und wirklich hat die Gemeinde einen entscheidenden Vorteil: Die ehemaligen Grundstücksbesitzer waren sich einig, daß das Kaufangebot der Dorfpolitiker vielleicht nicht das höchste, für sie aber das beste war.

Über 70 Bewohnern gehörten die Flächen der LPG, auf denen Äpfel, Äpfel und noch mal Äpfel angebaut wurden. Der Boden war durch die Monokultur ausgelaugt, so daß eine erneute Bewirtschaftung enormen Aufwand bedurft hätte. Doch der getrennte Verkauf an den jeweils meistbietenden hätte aller Voraussicht nach zu Spekulation und einer völlig zerrissenen Sozialstruktur geführt. So einigten sich die Besitzer und überließen der Gemeinde auf deren sanften Druck hin den Quadratmeter zu 40 Mark.

Um jetzt »Wildwuchs und Spekulation zu vermeiden«, hat die Gemeinde mit einer Westberliner Gesellschaft für Finanzierungsplanung und den ehemaligen Grundstückseignern die »Kommunale Entwicklungsgesellschaft« gegründet, deren deutliche Mehrheit sie hält. Diese Gesellschaft ist für das Gesamtprojekt verantwortlich, dessen Start sie mit einem 15-Millionen-Kredit finanzieren möchte. Nach und nach sollen die Flächen bebaut und verkauft werden, um den nächsten Bauabschnitt vorzufinanzieren.

Doch diese Vorfinanzierung ist das Hauptproblem. Die komplette Infrastruktur mit Straßen, elektrischen und Wasserleitungen kann nicht von Beginn an bezahlt werden, zumal das Klärwerk Nord bei Potsdam noch keine ausreichende Kapazität hat. Für die einzelnen Siedlungsteile werden daher — teure — Zwischenlösungen gefunden werden müssen, etwa die zeitweilige Nutzung der biologischen Kläranlage, die zur ehemaligen sowjetischen Kaserne Krampnitz gehört.

Langfristig aber soll das Wohngebiet mit »Einfamilienhäusern, Reihen- und Doppelhäusern sowie mehrgeschossigem Wohnungsbau mit allen notwendigen Einrichtungen« modernsten Erkenntnissen entsprechen. Nur fünf Prozent Verkehrsfläche sind für das neue Wohngebiet eingeplant, nicht einmal ein Drittel des Berliner Durchschnitts. Es sollen ausschließlich Häuser entstehen, die aufgrund ihrer Bauweise extrem wenig Energie benötigen und die aus weitgehend ökologisch unbedenklichen Baustoffen bestehen. Das sollen ein präziser Bebauungsplan und entsprechende Verträge mit den Parzellenkäufern garantieren.

Rund 300 Mark werden die Interessenten für jeden erschlossenen Quadratmeter zahlen müssen; die Gemeinde behält sich allerdings vor, Käufern aus dem Umland günstigere Angebote zu machen, um für bessere soziale Mischung zu sorgen. »Es geht um erträgliche Kosten für hiesige Bürger, nicht um Gewinnmaximierung«, erklärt Projektleiter Michael Lion das Vorgehen. Denn in Fahrland sind sich alle einig, daß das Neubauviertel keinesfalls zur leblosen Schlafstatt im Südwesten Berlins verkommen darf. Christian Arns

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen