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Durchs gute alte Folkloristan

■ Die „Compania Rusa Nasarov“: heute im Astoria

20.00 Uhr: Glimmer auf dem Tisch, Jazz fliegt durch die Luft, der Sekt schimmert rot.

20.20 Uhr: Bühnenlicht, junge Frauen mit langen Haaren und Gewändern schweben auf die Bühne. Sie singen weihevoll von den Sorgen ihrer Heimat, von jungen Männern und Schmerz.

Um 20.25 Uhr werden sie hinweggefegt von einem Eskimostamm. Der trägt mit wilden Rufen eine barbusige Frau hinein, so ist es Brauch. Zwei Minuten später ist sie angezogen und tanzt mit ihrem Bräutigam im Reigen, begleitet vom Trommeln auf Fellen aus Walfischhaut.

20.40 Uhr: Moldawien; Weißrussland und Sibirien folgen.

Die „Compania Rusa Nazarov“ spielt, tanzt, singt im „Astoria“, noch bis heute abend: Das Variete beschleunigt seine Fahrt durch die ehemalige Sowjet- Union, bevor sie zerfällt. Hinter dem Fenster der allsowjetischen Show tauchen die unterschiedlichsten Bilder auf, Gesänge dringen in das Innere und klagen über den Liebsten, der von dannen zog. Das ist international und geht ans Herz. Noch ehe es zur Ruhe kommt, fechten Kosaken und singen ein Sauflied nach erfolgreicher Schlacht.

Um 21.15 Uhr erscheinen Tschetschenen aus Berg-Karabach. Auch sie singen, als sei nichts passiert. Die folkloristische Sowjet-Revue fährt weiter; die Gegenwart ist zu spät gekommen.

Jeden Samstag gab es in der Ex-SU eine Fernsehsendung: „Tänze und Lieder der UdSSR“. Die Sendung gibt es nicht mehr; die Tänze und Lieder aber sehen Sie live im Astoria.

Zwischen Tadschikistan und Kirgisien lassen humoristische Einlagen die Gegenwart verschwinden, 150 Instrumente spielen bis zur Endstation Gypsies, und der Saal singt mit. Um 22.00 Uhr taucht die Wirklichkeit wieder auf, in der die Künstler ihren realwestlichen Lohn in einige rotschimmernde Biere umsetzen können. Da sitzen sie auch heute abend, um im September mit neuem Programm wiederzukommen. Wer weiß, was inzwischen in der Welt noch geschieht. roth

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