: Zuviel Haß in Belfast
■ Eine Hardcore-Band zwischen UVP und Provo-IRA / „Therapy?“ im Römer
„James Joyce is fucking my sister“. Nicht gerade fein, was die nord-irische Hard-Core-Band Therapy? da ins Mikrophon brüllt. Dazu spielen Andy Cairns, Michael McKeegan und Fyfe Ewing eine Musik, die von einem treibenden, sehr tanzbaren Rhythmus bestimmt wird. Eigentlich hören sie sich damit sehr amerikanisch an, so dicht und komplex. „Ja“, sagt Michael nach dem Konzert montags im Römer, „das unterscheidet uns von anderen Bands aus Irland“.
Daß die jungen Männer ausgerechnet aus der Bürgerkriegsmetropole Belfast stammen, ist ihrem künstlerischen Fortkommen nicht gerade förderlich, finden alle drei. Die Trennung der Stadt in protestantische und katholische Gebiete macht das Leben und Arbeiten so schwierig. „Das geht jetzt schon Jahre“, so Fyfe, „und wir haben uns daran gewöhnt. Wenn irgendwo eine Bombe hochgeht und es macht Bumm, dann drehst du dich zwar um, aber du wunderst dich nicht mehr.“
Die verzwickte Situation in Belfast bedeutet allerdings auch, daß sie nicht spielen können, wo sie wollen. In Shankill oder den Falls, also den protestantischen oder katholischen Hochburgen, müßten sie sich erst mit der UVF (Ulster Volunteer Force) und der Provo-IRA arrangieren. Die sagen Terrorist Protection Money zu den Schutzgeldern, die sie fordern. „Andernfalls“, sagt Michael, „ist die Anlage kaputt. Das ist ein big business geworden, so richtig mafiamäßig. Das hat nichts mehr mit Politik zu tun, das ist reines Geschäft.“
Politische Themen mögen Therapy? überhaupt nicht anschlagen, das sei zu gefährlich. „Dann würden wir in Irland nicht mehr lange spielen können. Da ist zuviel Haß. Mit Musik kannst du in Ulster sowieso nichts ändern. Du darfst es dir halt mit niemandem verderben, also halten wir unsere Texte abstrakt. Was soll's? Wir treten oft in der Republik auf, da kommen gut und gern tausend Leute, die wissen gar nicht, wie hart unsere Musik ist.“ Trotzdem spielen sie lieber auf dem Kontinent, da sei alles lockerer. „Hier kann man zum Beispiel wenigstens mal einen Joint rauchen, ohne gleich die große Angst zu kriegen. Bei uns wirst du mit Dope nicht nur von den Bullen gejagt, sondern auch von der UVF und den Provos.“
Daß sie bei uns mittlerweile sehr beliebt sind, wundert sie ein wenig. „Drei Typen aus Belfast, die hier bejubelt werden, das ist schon was“, sagt Michael. „Aber das liegt wahrscheinlich im Trend. Punk und Anverwandtes werden bald ein kommerzielles Revival erleben, das ist sicher.“ Cool J.F.
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